Die Digitalisierung der Kommunen schreitet voran. Künstliche Intelligenz (KI) kann Prozesse erleichtern, doch sie birgt auch Gefahren.

Städte erzeugen in jeder Minute Millionen Daten, die Aufschluss über die tatsächliche Nutzung städtischer Infrastruktur geben. Die Potentiale kommunaler Daten können jedoch nur genutzt werden, wenn die Daten systematisch erhoben, aktuell und standardisiert bereitgestellt sowie über entsprechende Plattformen veröffentlicht werden. Die Publikation von Daten dient nicht nur zur Geschäftsmodellentwicklung in Unternehmen, sondern auch um Public Value zu erzeugen. Dabei können u.a. Systeme mit „künstlicher Intelligenz“ (KI) helfen, die beispielsweise Muster in Daten erkennen und analysieren sowie darüber hinaus Vorhersagen ableiten können. Über die Einsatzmöglichkeiten von KI in Kommunen sprach #stadtvonmorgen mit KI-Expertin Tabea Hein.

Standardisierung notwendig

Frau Hein, wie kommen wir an kommunale Daten?

Hein: Kommunen stellen grundsätzlich Daten gerne zur Verfügung und veröffentlichen sie, wenn sie denn Handlungssicherheit haben. Momentan werfen sich jedoch häufig viele Fragen auf, die Verunsicherung ist teils groß. Es beginnt oft schon mit dem Datenschutz. Die Kommunen spüren bei diesem Thema allerdings auch Druck seitens der Politik, hören fordernde Stimmen aus der Zivilgesellschaft im Sinne transparenter Verwaltung und von Unternehmen, die die Daten gewinnbringend einsetzen wollen.

Und wie sieht es mit der Datenqualität aus?

Manchmal existieren mehr oder weniger vollständige Excel-Tabellen, die über die Jahre von unterschiedlichen Sachbearbeitern bearbeitet wurden. Dabei fehlt oft eine Absprache, wie Objekte benannt und Felder gefüllt werden. Im Grunde können wir dafür, wie auch z. B. für die Formularerstellung jetzt im Zuge des Onlinezugangsgesetzes, die Methodik des Föderalen Informationsmanagements (FIM) nutzen. Auf Bundes- und Landesebene ist der FIM-Standard bekannt. Bei Kommunen wird er jedoch im Bereich der Datenfelder bisher häufig eher zufällig angewandt, wenn beispielsweise die eingekaufte Prozess-Software diesen Standard nutzt.

Umfassende Bürgerbeteiligung schwierig

Welchen Einfluss haben die Bürger, deren Daten verwendet werden sollen?

Eine breitere Bürgerpartizipation ist sowohl von der Stadtgesellschaft gewünscht als auch politisch. In einem Teil der kommunalen Leistungserbringung, wie bei der Bauplanung, ist sie auch rechtlich vorgesehen. Oft versprechen Beteiligungsformate Bürgerinnen und Bürgern etwas, das nicht umfänglich gehalten werden kann. Eingaben ausführlich zu würdigen, Fragen zu beantworten ist ein aufwändiger, zeitintensiver Prozess. Oft fehlt dafür qualifiziertes Personal. Die Rückmeldungen sind auch unausgeglichen, da sich nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen beteiligen. Im Zweifel sind es die, die ohnehin engagiert sind, und bei Plattformlösungen diejenigen, die sich online auskennen. KI-Systeme können Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immerhin bei der Sortierung entlasten, Post und Mails der zuständigen Person zuweisen, Antwortvorschläge vorbereiten und anderes.

Reicht die Bürgerbeteiligung für eine Akzeptanz datengestützter Angebote aus?

Digitalisierung und KI haben ihre Grenzen. Fehlende Meinungsäußerungen von Personengruppen, wie älterer Menschen oder Kinder, können nicht einfach ergänzt oder übergangen werden, nur weil ihnen die Möglichkeiten fehlen, sich entsprechend zu artikulieren. Hier können Workshops helfen, gezielte Ansprache, auch über Vereine oder Interessensverbände oder ein schriftliches Anschreiben mit der Bitte um Mitwirkung. Auch Barrierefreiheit ist immer noch ein Thema bei der Zugänglichkeit kommunaler Websites, obwohl sich da schon viel Bewusstsein entwickelt und einiges getan hat. KI kann hier z. B. helfen, Texte in leichter Sprache zu verfassen oder als Voice-Bot Fragen zu beantworten.

KI erleichtert Parkkontrollen

Die Städte versuchen mit Mobilitätskonzepten und konkreten Maßnahmen zur Verkehrslenkung die Mobilität in der Stadt zu verbessern. Welche Rolle kann dabei KI spielen?

Für die Verkehrsführung allein gibt es in den Straßenverkehrsämtern schon lange leistungsfähige GIS-Software, mit der z.B. bei Umleitungen oder Großveranstaltungen erfolgreich Verkehrsflüsse simuliert werden oder Anzeigen freier Parkplätze gesteuert werden. In anderen Bereichen gibt es einfache und effiziente Einsatzbereiche für KI, wie z. B. bei der Parkraumüberwachung, die in verschiedenen europäischen Städten bereits genutzt wird.

Nehmen wir z. B. die Kontrolle von Parkplätzen für Bewohner mit Parkausweis. Mit KI und selbstverständlich unter Einhaltung der DSGVO lässt sich die Kontrolle einfacher realisieren. Bei der Befahrung der entsprechenden Straßen werden die Kennzeichen mit einer Kamera aufgenommen. Es kann sofort geprüft werden, ob für das Fahrzeug eine entsprechende Gebühr gezahlt wurde. Wenn jemand unberechtigt parkt, wird das entsprechende Verfahren automatisch eingeleitet. Wichtig ist natürlich, dass es weiterhin Einspruchsmöglichkeiten gibt, denn Fehler können immer passieren. Auch die sogenannten „Schlagloch-Apps“, die mittlerweile in vielen Städten Deutschlands verwendet werden um z. B. Risse in Fahrbahndecken frühzeitig zu erkennen, sind durch Befahrung des Straßenraums, Aufnahme und Erkennung unterschiedlicher Mängel mit KI-Komponenten ausgestattet. Interessant wird KI künftig natürlich auch in der Komplexität von Verkehr beim Einsatz autonomer Fahrzeuge.

Welche Bedeutung haben lernende Systeme bei diesen Anwendungen?

Beim Begriff „lernende Systeme“ sollte man im allgemeinen Sprachgebrauch, glaube ich, darauf achten, dass hier keine Missverständnisse entstehen. Es könnte sich so anhören, als ob ein IT-System sich quasi verselbstständigt, unkontrolliert oder mit einem eigenen Bewusstsein, menschengleich handelt. Das sind KI-Systeme heute nicht. Allerdings gibt es gerade beim maschinellen Lernen häufig einen Teil, der zumindest nicht, sagen wir mal, „offensichtlich“ ist. Wir sprechen dann von Blackbox.

Hier ist es gerade im öffentlichen Sektor wichtig, dass wir Erklärungskomponenten haben, wenn wir KI einsetzen. Wir müssen frühzeitig erkennen, wenn Daten nicht ausbalanciert sind, Daten Verzerrungen zeigen oder das vielleicht eingekaufte und vortrainierte Modell in irgendeiner Richtung vorgeprägt ist, so dass Fehlentscheidungen getroffen werden. Wir brauchen sog. XAI (Explainable AI, erklärbare KI). Dabei müssen die Erklärungen nicht nur für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verständlich sein, sondern zumindest so, dass sie auch Antragsteller und Antragstellerinnen erklärt werden können, am besten selbsterklärend sind. Hier gibt es schon gute Ansätze, auch in der Forschung. Aus meiner Sicht sollten wir uns aber aus Perspektive der Verwaltung stärker einbringen. Das können wir allerdings nur, wenn wir das Know-how und die Expertise haben. Hieran fehlt es häufig noch.

Menschliche Kontrollinstanz notwendig

Stoßen wir im Einsatz von KI an rechtliche Grenzen?

Wir warten ja noch auf die KI-Verordnung der EU, die dann direkt bis auf die kommunale Ebene greift. In Deutschland gibt es bisher noch kein spezifisches KI-Gesetz, aber natürlich bestehende Gesetze, die einerseits KI-Systeme tangieren, andererseits aber nicht speziell auf sie ausgerichtet sind. Und wir stoßen natürlich an ganz praktische und menschliche Grenzen, auch auf fachlicher Ebene. Wenn ich mir vorstelle – das ist immer mein Horrorszenario -, es kommt eine Antragstellerin einer Leistung, die sie zum Lebensunterhalt benötigt, die Sachbearbeiterin gibt die Daten ein und es erscheint ein roter Bildschirm. Dann fragt die potentielle Leistungsempfängerin wütend oder unter Tränen, warum der Antrag abgelehnt ist und die Antwort ist: Das weiß ich nicht, das hat die KI entschieden. Dahin darf es nicht gehen aus meiner Sicht. Neben den gerade angesprochenen Erklärungskomponenten muss es immer eine Möglichkeit geben, eine Entscheidung prüfen zu lassen, durch einen Menschen. KI bietet viele Möglichkeiten und wir sollten uns in der Kommunalverwaltung mit dem Thema beschäftigen. KI ist allerdings kein Selbstzweck und auch keine Allzwecklösung. Sie sollte immer ein Werkzeug bleiben und Entscheidungsträger der Mensch.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hein.

g.schilling@stadtvonmorgen.de

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