Hohe Temperaturen und Trockenheit, drückendes Klima in den Städten und immer neue Wetterrekorde – in diesen Tagen warnt der Deutsche Wetterdienst vor für hiesige Verhältnisse extremer Hitze. Der Klimawandel tritt immer stärker zu Tage und hat Effekte auf die Lebenswelt der Menschen. Kommunen sind gefragt, sich an die neuen Wetterlagen anzupassen, um Extreme möglichst abzumildern. Welche Rolle digitale Lösungen für die Klimaanpassung spielen können, zeigt die sächsische Landeshauptstadt Dresden. In dem Forschungsprojekt KLIPS erarbeitet die Stadt eine „KI-basierte Informationsplattform für die Lokalisierung und Simulation von Hitzeinseln für ein innovative Stadt- und Verkehrsplanung“.
300 Sensoren erfassen Hitzeinseln in Dresden
Gefördert ist das Vorhaben vom Bund bis 2024 mit 2,3 Millionen Euro aus dem Ministerium für Digitales und Verkehr. Darüber hinaus leisten die beteiligten Projektpartner Eigenanteile. Die Pläne zielen darauf ab, dass das System mindestens bis 2026 läuft. Im Frühjahr 2023 soll es starten: Bis dahin will die Stadt 300 Temperatursensoren über Dresden verteilt installiert haben. Die Temperatursensoren sollen Hitzeinseln im Stadtgebiet erfassen.
Bei Hitzeinseln handelt es sich um Areale, auf denen sich die Hitze „staut“. Beispielsweise aufgrund ihrer baulichen Situation verzeichnen sie eine stärkere Erhitzung oder geringere Kühleffekte und dadurch eine höhere Temperatur als die an sie angrenzenden Bereiche in der Stadt. Derartige lokale Temperaturabweichungen können durchaus in einer Größenordnung von bis zu acht Grad Celsius liegen. Ließe sich dem gegensteuern, ließen sich örtliche Hitzespitzen abmildern.
Datengrundlage für Hitzeprognosen
Hier setzt das Forschungsprojekt KLIPS an. Es will mit den Sensoren, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen, nicht nur Hitzeinseln im urbanen Raum identifizieren, sondern auch eine Datengrundlage für Prognosen bezüglich der lokalen Hitzesituation schaffen. So möchte die Stadt zum einen das Entstehen von Hitzeinseln vorhersehbar machen und zum anderen mögliche Szenarien, was die Hitzeverteilung betrifft, – etwa im Vorfeld von Bauvorhaben oder von Maßnahmen zur Klimaanpassung – simulieren. Dafür baut sie eine Datenplattform auf. Neben den 300 Sensoren ergänzen Satelliten-, Kataster-, Wetter- oder Klimadaten das Hitzebild.
Von dem Forschungsprojekt erhofft sich die Stadt ein neues, auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Instrument für die Klimaanpassung. Gelingt es, die lokale Hitzesituation adäquat digital zu modellieren und mittels Algorithmen vorhersehbar zu machen, lassen sich davon verschiedene Anwendungen ableiten. Etwa könnte ein Hitzewarnsystem die Öffentlichkeit im Extremfall zielgerichteter informieren.
Ein Prognosetool für den Städtebau
Im städtebaulichen Kontext könnte das Prognosetool zum Instrument der Stadtplanung werden. Denn die wachsende Stadt Dresden verzeichnet eine zunehmende Verdichtung und Versiegelung sowie abnehmende Grün- und Freiflächen. Dies wirkt auf die Luftzirkulation und sorgt für ein zusätzliches Aufheizen des urbanen Raums insbesondere in den Sommermonaten. Demnach kann ein differenzierteres Wissen um Hitzeinseln hinsichtlich geplanter Baumaßnahmen relevant sein. Die Prognose und Simulation der Hitzeverteilung kann aufzeigen, welche Hitzeeffekte neue Bauten auf den Stadtraum ausstrahlen.
Gleiches gilt für Maßnahmen der Klimaanpassung. Mit der Überwachung der Hitzeinseln mittels Sensorik ergibt sich die Möglichkeit, deren Wirksamkeit zu untersuchen. So kann die Stadt auf Grundlage einer validen Datenbasis abschätzen, wie sich beispielsweise Wasserläufe, Verschattungen, die Begrünung von Fassaden, das Pflanzen von Bäumen oder die Gestaltung von Oberflächen auf das lokale Kleinklima auswirken. Die diesbezüglichen Anwendungsfelder sind breit: Sie reichen von der Gestaltung öffentlicher Straßen, Plätze und Parks bis hin zur Hitzesituation an Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs oder der Frage nach dem klimasteuernden Effekt einer möglichen Begrünung von Bahngleisen.
Im europäischen Kontext: KLIPS und „MAtchUP“
An KLIPS arbeiten neben der Stadt Dresden diverse Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft. Darunter sind die Software AG, das ERGO Umweltinstitut, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, das Institut für Informationssysteme der Hochschule Hof, das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung sowie die Firmen Pikobytes, terrestris und meggsimum. Zudem ist die Stadt Langenfeld ebenfalls eine Pilotkommune innerhalb des Forschungsprojekts.
Dresden bringt sein Engagement außerdem in das EU-Programm „MAtchUP“ ein. Dabei handelt es sich um ein Modellprogramm zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Insbesondere auf Basis von Smart-City-Anwendungen möchte „MAtchUP“ smarte Lösungen für die urbane Transformation entwickeln und erproben. Dies bezieht sich etwa auf den Neubau und die Sanierung von Gebäuden, auf eine nachhaltige Mobilitätsinfrastruktur sowie den Aufbau einer kommunalen Datenplattform. Das EU-Programm läuft seit 2017. Neben Dresden sind die Städte Valencia (Spanien) und Antalya (Türkei) in diesem Fall führend.