Es ist eine neue Technologie für die Infrastruktur der Stadt von Morgen: Im Rahmen des Modellprojekts „Smart City Infrastructure“ testet die Stadt Kaiserslautern innovative Methoden der Verkehrsorganisation. Die Stadt ist 100.000 Einwohner groß, also keine Metropole, noch dazu hochverschuldet. Trotzdem widmet sie sich der Digitalisierung und hat, was smarte Infrastruktur betrifft, einige erstaunliche Modellprojekte am Start.
Zum Beispiel das für die Verkehrssteuerung. Neuerdings kommen hierfür Wärmebildkameras zum Einsatz. An einer Hauptverkehrsstraße ist vor wenigen Tagen die erste Versuchsstrecke entstanden. An ihr sammeln die Wärmesensoren Daten, die der Optimierung des Verkehrsflusses dienen sollen.
Beispiele wie dieses könnten dazu beitragen, neue Standards zu setzen: Es ordnet sich nämlich in eine Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, die den Aufbau von „Internet of Things“-Infrastrukturen in Kommunen beleuchtet.
BSI-Studie: Standards für IoT-Infrastrukturen in der Smart City
Nicht nur die Metropolen und die Hauptstädte entwickeln sich zu Smart Citys. Wenn sie auch national vielleicht weniger stark wahrgenommen werden, sind es vielerorts mittelgroße Städte und regionale Zentren wie Kaiserslautern, die im Bereich der Digitalisierung pionierhaft voranschreiten. Oft im Spannungsfeld von knappen Ressourcen und urbaner Progression digitalisieren diese Hidden Champions in Sachen Smart City ihre Infrastrukturen und vernetzen sie mit „Internet of Things“ (IoT)-Anwendungen.
Diesen Potentialen widmet sich nun die Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Studie „Secure Municipal Internet of Things Infrastructures“ (SMIoTI) startete im Frühjahr und betrachtet die IoT-Infrastrukturen in acht deutschen Städten. Es ist eine Erkenntnis, die die Studie vorab liefert: Es braucht nicht unbedingt Größe, um digitale Pionierarbeit zu leisten. Auch in Städten wie Kaiserslautern finden sich smarte Perlen.
„Vielerorts stecken die Smart-City-Infrastrukturen noch in den Kinderschuhen“, sagt BSI-Präsident Arne Schönbohm. Als Cybersicherheitsbehörde des Bundes wolle man mit der Studie Handlungsempfehlungen und eine Basis für zukünftige Standards entwickeln. Schönbohm: „So wollen wir die Informationssicherheit kommunaler IoT-Infrastrukturen in ganz Deutschland mitgestalten.“ Die Studie läuft bis in die zweite Jahreshälfte 2021.
An der Studie beteiligt sind vier Kommunen der „Modellprojekte Smart Citys“ des Bundesinnenministeriums. Das Programm „Modellprojekte Smart Citys“ möchte Strategien für das Stadtleben der Zukunft erproben. In einer ersten Staffel sind dafür 13 Kommunen ausgewählt. Aus diesem Reigen nehmen neben Kaiserslautern außerdem Haßfurt, Solingen und Wolfsburg nun an der BSI-Studie teil. In diesen Städten analysiert das BSI bereits bestehende Smart-City-Projekte hinsichtlich ihrer Informationssicherheit.
Gleichzeitig begleitet es die Städte Delbrück, Dresden, Paderborn und Ulm von Anfang an bei der Konzeptionierung und Umsetzung einzelner Projekte und dem Ausbau ihrer Smart-City-Infrastrukturen. Davon möchte die Studie Handlungsempfehlungen zur IT-Sicherheit für die Digitalisierung in Städten ableiten.
Internet of Things: Dinge werden digital vernetzt
Ein Beispiel für den Aufbau einer IoT-Infrastruktur ist das jüngste Modell der „Smart City Infrastructure“ in Kaiserslautern. Dazu gehört das Verkehrsprojekt mit den Wärmebildkameras: Sie sind an Lichtmasten angebracht (Foto oben) und analysieren, welche Fahrzeugtypen sich wie schnell wohin bewegen. Kennzeichen und Personen sind auf den Wärmebildern nicht zu erkennen. Zusätzlich können mögliche Bluetoothsignale der Fahrzeuge erfasst werden. Davon lässt sich die Durchschnittsgeschwindigkeiten der Fahrzeuge zwischen den Messpunkten ermitteln. Um Kriterien des Datenschutzes zu entsprechen, verlassen die empfangenen Signale die Geräte nicht.
Die Erkenntnisse über die Verkehrsbewegungen in der Stadt sollen in die Verkehrsplanung einfließen. Zudem soll die Verkehrssteuerung smart werden: Mit der Datenerhebung erhofft man sich eine verlässliche Grundlage, um agile Reaktionsmöglichkeiten auf sich dynamisch verändernde und außergewöhnliche Verkehrslagen umsetzen zu können. Dies betrifft etwa intelligente und der jeweiligen Verkehrssituation angepasste Ampelschaltungen. Oder die Ausweisung weiträumiger Umleitungen mittels digitaler Schilder für den Fall einer Straßensperrung und der möglichen Überlastung eines Straßenzugs.
Arbeitsteilung zwischen Digitalisierungsgesellschaft und Stadt
In dem Kaiserslauterer Projekt ergänzen sich die Stadtverwaltung und ihre eigens gegründete Digitalisierungsgesellschaft, die KL digital GmbH. „Das Projekt macht die Vorteile der Arbeitsteilung zwischen der KL digital GmbH und der Stadtverwaltung ersichtlich“, erklärt KL-digital-Geschäftsführer Martin Verlage.
„Innovative Lösungen werden zielgerichtet gesucht, und wir bewerten die grundsätzliche Eignung für die Stadt anhand unseres Leitbilds“, sagt er aus Sicht der Digitalisierungsgesellschaft. „Das zuständige Referat der Stadtverwaltung prüft die fachliche Eignung und holt das Angebot ein. Dieses wird dann zusammen von Stadtverwaltung und KL digital geprüft.“
Zu Aspekten des Datenschutzes werde der Datenschutzbeauftragte der Stadt hinzugezogen. „Den anschließenden Test begleiten wir mit einem besonderen Fokus auf den Nutzen für die Bevölkerung“, sagt Verlage. Die Finanzierung laufe über den städtischen Haushalt.
IoT-Infrastrukturen in den Städten: Das sagen OBM
Das Kaiserslauterer Beispiel ist nur eines für mannigfaltige IoT-Anwendungen. Das sagen die Bürgermeister der an der BSI-Studie teilnehmenden Städte zu ihren Vorhaben:
Bürgermeister Werner Peitz aus Delbrück: „Delbrück freut sich über die Zusammenarbeit mit dem BSI und darüber, eine von vier Städten deutschlandweit zu sein, die im Rahmen des IoT-Projektes begleitet wird. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, um unsere Stadt effizienter, nachhaltiger und fortschrittlicher zu gestalten und eine zusätzliche Sicherheit für die städtischen Anwendungsfelder zu schaffen.“
OBM Dirk Hilbert aus Dresden: „Die Landeshauptstadt Dresden entwickelt sich mit MAtchUP, dem europäischen Leitprojekt zur nachhaltigen Stadtentwicklung, zu einer der führenden Smart Citys. Im Bereich Energie gehen wir mit Smart Meter Gateways, adaptiver Straßenbeleuchtung und einer Gebäudeleitzentrale voran. Den Mobilitätssektor stärken wir mit intermodalen Mobilitätspunkten und Ladeinfrastruktur mit Reservierungsfunktion. Hier greifen wir auf eine Vielzahl von Sensoren und Kommunikationstechnologien wie NB-IOT, 5G oder LoRaWAN zurück, um die ermittelten Daten zentral an die städtische Urban City Plattform zu senden und Dritten zur Auswertung oder Steuerung zur Verfügung zu stellen. Genau hier spielt die Informationssicherheit eine immer größere Rolle. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, gemeinsam mit dem BSI und den Projektpartnern die Risiken der kommunalen Infrastruktur zu untersuchen und einzugrenzen.“
Erster Bürgermeister Günther Werner aus Haßfort: „Datensicherheit ist ein Thema, welches immer größere Bedeutung erlangt. Aus diesem Grund freue ich mich, dass uns das BSI in unserem Smart-City-Prozess und dem Thema Internet of Things unterstützt. So können von Anfang an Befürchtungen aller Beteiligten begegnet werden.“
OBM Klaus Weichel aus Kaiserslautern: „In der Herzlich Digitalen Stadt Kaiserslautern, in der immer mehr IoT-Anwendungen im Einsatz sind, kommt Verlässlichkeit im Sinne von Cybersecurity eine steigende Bedeutung zu. Komplette Infrastrukturen müssen gegen Eindringlinge abgesichert werden. Als konkretes IoT-Projekt zur Identifikation von Cyber-Security-Herausforderungen stellen wir unser Projekt ,Smarte Lichtmasten: Sicherheit durch Beleuchtung‘ mit einer Pilotimplementierung am Fauthweg in Kaiserslautern zur Verfügung. Mit diesem Projekt soll das Sicherheitsempfinden der Bürger unserer Stadt bei Nacht, schlechten Wetterverhältnissen oder Gefahrensituationen durch angepasste Beleuchtung erhöht werden. Damit wollen wir die Vorreiterrolle Kaiserslauterns in der Digitalisierung weiter ausbauen und das Vertrauen der Bürger in dieses wichtige Zukunftsthema weiter erhöhen.“
Bürgermeister Michael Dreier aus Paderborn: „Wir freuen uns, dass wir bereits zum Beginn der Entwicklung unserer Datenplattform in Paderborn die Experten des Projektteams des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik an unserer Seite haben. So können wir den besonderen Fokus auf die Themen Datensouveränität und Datensicherheit legen, die für Paderborn ohnehin eine besondere Bedeutung haben.“
OBM Tim Kurzbach aus Solingen: „Ich bin glücklich und stolz, dass Solingen zu den ersten Smart-City-Modellprojekten des Bundes gehört. Obwohl wir bekanntermaßen wenig Geld in der Stadtkasse haben, investieren wir als wachsende Stadt seit Jahren kräftig in den Ausbau der digitalen Infrastruktur und konnten bereits Erfahrung mit verschiedenen Sensoren für Wetter, Umwelt oder Parkplätze machen. Die Zusammenarbeit mit dem BSI ist ein wesentlicher Baustein, die Informationssicherheit der Smart-City-Infrastruktur von Anfang an mitzudenken.“
OBM Gunter Czisch aus Ulm: „In Ulm gehen wir die Themen der Zeit seit jeher selbstbewusst und verantwortungsvoll an – und das heißt, dass wir schon während dieses Projektes Erkenntnisse sammeln und aufgreifen wollen. Wir bestimmen, wer auf welche Sensordaten zugreifen darf und welche Dienste angeboten werden. Der digitale Wandel muss uns dann keine Angst machen.“
Erster Stadtrat Dennis Weilmann aus Wolfsburg: „Ich freue mich, dass nachdem wir bereits im vergangenen Jahr Smart-City-Modellstadt des BMI geworden sind, einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg in die digitale Zukunft machen werden. In Wolfsburg haben wir bereits seit einigen Jahren eine offene digitale Plattform basierend auf Open Source – diese Plattform gilt es für IoT-Anwendungen und als Fundament der Smart-City-Modellstadt Wolfsburg weiter auszubauen. Daher freuen wir uns sehr auf den gemeinsamen Austausch mit Experten des BSI und den anderen Städten zu Themen wie Data Security und IoT-Infrastruktur.“