Die Auswirkungen des Ukrainekonflikts auf Ludwigshafen resümiert OBM Jutta Steinruck. Derzeit gehe es um Finanzen, Wohnraum und Integration.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine dauert nun bereits länger als drei Monate. Auch auf die deutschen Kommunen wirken die Effekte des Konflikts. Wie die Städte auf den Angriff reagiert haben, welche ersten Hilfsmaßnahmen ergriffen wurden und wie sich die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vor Ort darstellt, resümiert Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck aus Ludwigshafen am Beispiel ihrer Stadt. Dabei macht sie im Gespräch mit #stadtvonmorgen auch auf bestehende Herausforderungen aufmerksam, was etwa die Finanzierung anfallender Kosten, die Versorgung der Flüchtlinge mit Wohnraum und die Integration betrifft. Von Bund und Land wünscht sie sich eine entsprechende Unterstützung.

„Die Hilfsbereitschaft ist nach wie vor hoch“

#stadtvonmorgen: Frau Steinruck, zu Beginn des Ukrainekonflikts haben wir Sie und die Stadt Ludwigshafen sehr intensiv begleitet. Sie hatten wöchentlich Medienbriefings abgehalten, was die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf Ludwigshafen betrifft. Wenn Sie die vergangenen Monate seit Kriegsbeginn resümieren: Welches waren die markanten „Phasen“, die die Stadt durchlebt hat?

Jutta Steinruck: Zunächst war da der Schock über den Angriff Russlands auf die Ukraine. Keiner hatte damit gerechnet, dass es in Europa zu einem solchen Krieg kommen könnte. Stadt und Stadtgesellschaft haben unmittelbar danach Solidaritätsbekundungen abgegeben und vielfältige Zeichen gegen den Krieg gesetzt. Ich habe mich per Videobotschaft an die Bürger gewandt, zahlreiche Stadthäuser erleuchteten in den ukrainischen Farben, und die Fahne des Städtebündnisses „Mayors for Peace“ weht – noch immer – in Ludwigshafen. Sehr schnell wurde konkrete Hilfe wie ein Hilfstransport organisiert. Um die Maßnahmen zu strukturieren, haben wir einen Koordinierungsstab eingerichtet. Parallel haben wir uns auf die Aufnahme von Schutzsuchenden vorbereitet.

#stadtvonmorgen: Sie haben es angesprochen: Der Beginn des Kriegs führte dazu, dass viele Städte für die Ukraine Solidaritätsbekundungen abgaben, und in der Stadtgesellschaft zeigte sich vielerorts eine große Hilfsbereitschaft. Wie erlebten Sie diese ersten Tage in Ludwigshafen?

Jutta Steinruck: Das Stadtgeschehen war geprägt von großer Hilfsbereitschaft und Solidarität. Es meldeten sich viele mit konkreten Hilfsangeboten und mit Wohnungen, die sie den Schutzsuchenden zur Verfügung stellen wollten. Darunter waren auch Menschen mit ukrainischen Wurzeln, die etwa bei Übersetzungen helfen wollten. Zusammen mit Oberstleutnant Werner Parlow habe ich dann den erwähnten Hilfstransport mit medizinischem Material und Medikamenten organisiert. Die Ludwigshafener Kliniken haben vieles zur Verfügung gestellt, die Feuerwehr hat den Lkw bis zur polnisch-ukrainischen Grenze gefahren. Vor dort ging das Material in kleineren Transportern nach Kiew. Die Hilfsbereitschaft ist nach wie vor hoch in der Bevölkerung. Es gibt ein breites ehrenamtliches Engagement und vernetzende Initiativen. Auch die hiesige ukrainische Community leistet eine große Unterstützungsarbeit.

„Nach wie vor ist es ungewiss, wie viele Menschen zu uns kommen“

#stadtvonmorgen: Schnell zeichnete sich ab, dass Deutschland mit der Aufnahme von Flüchtlingsströmen aus der Ukraine rechnen muss. Für die Verwaltungen, die ohnehin noch im „Coronamodus“ sind, bedeutet dies eine zusätzliche Belastung. Wie stellte sich die Situation in Ludwigshafen dar, mussten die Bürger Einschränkungen hinnehmen?

Jutta Steinruck: In der Verwaltung gibt es nach wie vor – unabhängig von Krisen – sehr viele unbesetzte Stellen. Das hat auch damit zu tun, dass die Tarifgestaltung im öffentlichen Dienst nicht überall mit privatwirtschaftlichen Modellen mithalten kann. Zusätzlich stellen die Coronakrise und die Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine die Verwaltung vor neue Herausforderungen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen. In Ludwigshafen kommt hinzu, dass unsere Verwaltung nicht in einem Rathaus untergebracht, sondern übers Stadtgebiet verteilt ist. Gleichwohl haben wir zu Beginn des Ukrainekonflikts zahlreiche Maßnahmen ergriffen – etwa die Bereitstellung mehrerer Räume für eine Außenstelle der Ausländerbehörde –, um die Situation zu bewältigen. Das Engagement war und ist über Dezernatsgrenzen hinweg groß. So ist es uns gelungen, sichtbare Einschränkungen für die Bürger zu vermeiden. Letztlich war es eine große Organisationsleistung der Verwaltung, die auf die Bürger keine Auswirkungen hat.

#stadtvonmorgen: Anfangs war die Lage von einer großen Ungewissheit geprägt, wie viele Menschen aus der Ukraine hierzulande ankommen werden. Wie ist die Lage in Ludwigshafen: Wie viele Menschen sind aufgenommen, läuft die Aufnahme mittlerweile strukturierter, oder bestehen noch immer Unwägbarkeiten?

Jutta Steinruck: Bei der Ausländerbehörde haben sich fast 700 Menschen registriert. Davon musste die Stadt bislang nur rund 90 Menschen mit einer Unterkunft versorgen. Nach wie vor ist es ungewiss, wie viele Menschen zu uns kommen beziehungsweise uns vom Land zugewiesen werden. Doch es scheint nicht die große Anzahl zu sein, wie sie ursprünglich vermutet wurde. Daher haben wir beispielsweise die Außenstelle der Ausländerbehörde zwischenzeitlich zurückgefahren – sind aber bereit, diese gegebenenfalls wieder schnell hochzufahren. Es zeigt sich, dass es viele Ukrainer dorthin zieht, wo sie Freunde oder Familie haben. So entstand ein gewisses Ungleichgebiet bei der Verteilung der Menschen auf die Kommunen. Daher haben manche Städte oder Landkreise durchaus mehr Menschen aufgenommen als wir.

Finanzen, Wohnraum, Integration: Städte treten in Vorleistung

#stadtvonmorgen: Wie ist die Wohnraumsituation, was die Unterbringung der Menschen angeht?

Jutta Steinruck: Wir haben Unterkünfte hergerichtet, auch eine Notunterkunft. Die meisten der Schutzsuchenden aus der Ukraine sind derzeit in einzelnen Wohnungen untergebracht. Bislang haben uns die Wohnungsbaugesellschaften, auch die kommunale, sowie Privatleute dabei unterstützt. Wir hoffen natürlich, dass der Krieg schnell endet. Doch wir können nicht in die Zukunft schauen und wissen daher nicht, ob wir mit weiteren Fluchtwellen rechnen müssen. Daher bleiben wir darauf vorbereitet.

#stadtvonmorgen: Welches sind nun die aktuell drängenden Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ukrainekrise für die Städte allgemein und für Ludwigshafen speziell?

Jutta Steinruck: Dass wir nicht wissen, wie viele Menschen zu uns kommen werden, hat eine gewisse Planungsunsicherheit zur Folge. Bisher ist die Stadt in vielen Bereichen in Vorleistung getreten, was die Aufnahme der Menschen betrifft. Für die Städte und gerade für eine hochverschuldete wie Ludwigshafen ist die damit verbundene finanzielle Belastung eine Herausforderung. Eine große Herausforderung ist überdies die Bereitstellung von Wohnraum. Denn in unserem Ballungsraum besteht ohnehin ein großer Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Und je länger der Krieg andauert, desto drängender stellen sich Integrationsaufgaben. Dies betrifft nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern die kommunale Infrastruktur, beispielsweise Schul- und Kitaplätze. Denn unter den Schutzsuchenden ist ein großer Anteil Frauen und Kinder.

Hilfe von Land und Bund: „Wir gehen von einer Krise in die nächste“

#stadtvonmorgen: Welche Erfahrungen nehmen Sie aus der bisherigen Entwicklung mit? Und was wünschen Sie sich beispielsweise von Bund und Land?

Jutta Steinruck: Angesichts der beschriebenen Herausforderungen, mit denen Ludwigshafen genau wie viele andere Städte auch konfrontiert ist, wünsche ich mir eine angemessene finanzielle Ausstattung von Land und Bund. Wir gehen von einer Krise in die nächste. Dabei sind immer neue Extremaufgaben zu bewältigen – und das bei einer angespannten Personalsituation der Verwaltung. In diesem Zusammenhang würde ich mir überdies wünschen, dass der öffentliche Dienst stärker als der attraktive und verlässliche Arbeitgeber wahrgenommen wird, der er ist, und wir weniger unbesetzte Stellen hätten.

#stadtvonmorgen: Ein aktuelles Thema ist der Rechtskreiswechsel ukrainischer Flüchtlinge in den Regelungsbereich des SGB2. Was bedeutet das konkret für die Stadt, sind damit neue Unsicherheiten verbunden, etwa hinsichtlich der Transformation der Daten?

Jutta Steinruck: Was die Umstellung auf SGB2 betrifft, stand das Sozialdezernat unter der Leitung von Beate Steeg frühzeitig und vorausschauend mit dem Jobcenter in Kontakt, um das Procedere zu besprechen. Diesbezüglich fühlen wir uns gut vorbereitet.

Info

Zu Beginn des Ukrainekonflikts fing #stadtvonmorgen die Reaktion der deutschen Städte darauf ein. Die Berichterstattung findet sich hier. Die Stadt Ludwigshafen hat #stadtvonmorgen exemplarisch mit verschiedenen Beiträgen begleitet: Hier der Beitrag vom 1. März, hier der Beitrag vom 9. März, hier der Beitrag vom 15. März.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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