Kommunen bereiten sich auf Flüchtlinge aus der Ukraine vor. Manche vergleichen die Situation mit 2015. Der Vergleich passt aber nicht.

„Wir schaffen das.“ Der Ausspruch der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel markiert einen Moment deutscher Geschichte. Angesichts des Kriegs in Syrien öffnete sich die Bundesrepublik 2015 für Flüchtlinge aus dem Krisengebiet. Mit Blick auf den aktuellen Ukrainekonflikt werden Vergleiche mit der damaligen Flüchtlingspolitik bemüht. Aus Perspektive der Kommunen stimmt diese Vergleiche aber nicht.

Migrationsgeschehen „völlig diffus“

Richtig ist: Heute können die Kommunen auf Erfahrungen und Strukturen zurückgreifen, die 2015 gemacht und aufgebaut wurden. Dies erleichtert vielen Städten die Bewältigung des zu erwartenden Flüchtlingsstroms aus der Ukraine. Das Migrationsgeschehen ist aber nicht vergleichbar mit der damaligen Situation und geht „völlig anders“ vonstatten. Darauf wies Klaus Weichel, der Oberbürgermeister von Kaiserslautern, in einer gestrigen Debatte im Stadtrat hin.

Die Europäische Union hat die Massenzustromrichtlinie in Kraft gesetzt. Die verändert das Aufnahmeprocedere, macht es unbürokratischer und vermeidet langwierige Asylverfahren. Gleichzeitig sind bereits in den vergangenen Tagen viele Ukrainer zu Verwandten und Freunden gereist. So sind viele, die in Deutschland ankommen, nicht registriert. Dies mache das Migrationsgeschehen „völlig diffus“, so Weichel. Demgegenüber gab es 2015 eine wenngleich bürokratischere, aber recht straff organisierte, zentral gesteuerte Verteilung Schutzsuchender auf die Kommunen nach Quoten wie dem Königsteiner Schlüssel.

Ungewissheit bezüglich der Zahl der Flüchtlinge

Insgesamt schätzt Weichel, dass der Krieg in der Ukraine für Flüchtlingszahlen auf dem Niveau der Flüchtlingskrise von 2015 sorgt, dieses vielleicht sogar übertrifft. Die aktuelle Situation sei allerdings durch eine große Ungewissheit gekennzeichnet. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Wie viele es noch werden, ist unklar und hängt vom Kriegsgeschehen ab. Genauso ist unklar, wie viele nach Deutschland kommen.

Dies mache es „für Kommunen schier unmöglich, irgendetwas zu planen“, so Weichel. Viele Städte müssen improvisieren und Kapazitäten für Eventualitäten schaffen. Der Städtetag forderte zuletzt von Bund und Ländern einen intensiven Dialog und – so rasch wie möglich – Informationen über Zahlen, damit sich die Kommunen auf die Ankömmlinge konkret vorbereiten können. (Das Foto oben stammt aus Frankfurt am Main: Dort bereitet die Stadt eine Halle für die erste Unterbringung von Flüchtlingen vor.)

Städte dürfen Organisationshoheit nicht verlieren

Darüber hinaus stelle die Welle der Hilfsbereitschaft die Kommunen bisweilen vor neue Herausforderungen. So erhalte er teils unvermittelt Anrufe aus der Stadtgesellschaft, dass privat organisierte Busse mit dutzenden Menschen aus der Ukraine in der Stadt seien, mit der Frage, wie diese denn untergebracht werden könnten. Zudem würden zahlreiche Sachspenden an die Stadt herangetragen.

Die Stadt sei damit befasst, die Unterbringung der Menschen zu organisieren. Für die Kommunalverwaltung sei es aber „nicht leistbar“, außerdem Sachspenden zu sortieren, zu reinigen und zwischenzulagern. Daher würden Hilfsangebote zentral registriert, und man komme bei Bedarf darauf zurück. Die große Unterstützung der Bevölkerung und die Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine sei „bewundernswert“, betont Weichel. Die Hilfe müsse aber „strukturiert ablaufen“. Sonst laufe die Stadtverwaltung Gefahr, ihre „Organisationshoheit“ zu verlieren.

(Das Foto oben zeigt von links den Frankfurter DRK-Geschäftsführer Dierk Dallwitz, Sportdezernent Mike Josef, Sozialdezernentin Elke Voitl und Oberbürgermeister Peter Feldmann.)

Info

Intensiv begleitet #stadtvonmorgen die Reaktionen der deutschen Städte auf den Ukrainekonflikt. Hier geht es zu den neuesten Entwicklungen aus kommunaler Perspektive.

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