Deutsche Oberbürgermeister und Kommunalverbände warnen eindringlich vor einem rauer werdenden gesellschaftlichen Klima. Die politische Debattenkultur leide. In den Rathäusern mehrten sich die Fälle von Beleidigungen, Anfeindungen und Drohungen. Dies betreffe auch das private Umfeld von Amts- und Mandatsträgern. Vom Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene erwarten sie ein entschlossenes Gegensteuern.
„Die wachsende Zahl an Fällen von Straftaten gegen Mandatsträger ist alarmierend“, sagte gestern OBM Kurt Gribl aus Augsburg, der auch Vorsitzender des Bayerischen Städtetags ist. Auch der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Städtetags, OBM Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm, meldete sich heute zu Wort: „Hass und Gewalt dürfen in unserer Gesellschaft nicht toleriert werden. Kommunale Amts- und Mandatsträger sowie Ehrenamtliche brauchen einen besonderen Schutz.“
Mehr Engagement von Ländern und Bund
Strengere Regeln im Strafrecht gegen Hetze und Beleidigung, wie sie von der Bundesregierung geplant seien, müssten schnell umgesetzt werden, fordert Hunsteger-Petermann. „Die Meldepflicht der Internetplattformen bei Morddrohungen oder Volksverhetzung ist ebenfalls sinnvoll.“ Dabei sei Niedersachsen ein gutes Beispiel: Dort dürfen Ermittlungsverfahren wegen verbaler Attacken und Übergriffen gegen Amtsträger, Rettungssanitäter, Polizisten und Hilfeleistende nicht mehr ohne weiteres wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Zentrale Ansprechstellen zu Hass und Hetze im Netz sowie für Sicherheitsfragen politischer Verantwortungsträger, wie sie in Nordrhein-Westfalen eingerichtet sind, seien Schritte in die richtige Richtung.
Dies fordert Gribl auch für Bayern. Auf Landesebene könne der Freistaat etwa durch ein vereinfachtes Verfahren zur Meldung von Onlinestraftaten eine entsprechende Maßnahme einleiten, um Hass und Hetze im Internet zu begegnen. Zudem regt Gribl einen festen Ansprechpartner für Kommunalpolitiker bei den Staatsanwaltschaften an. „Auf Bundesebene hilft die angestrebte Verschärfung des Strafrechts. Dies öffnet eine Basis für konsequentes Vorgehen.“
Brisante Umfrage des Bayerischen Städtetags
Zuletzt hatte der Bayerische Städtetag unter seinen Mitgliedern eine nicht-repräsentative Umfrage gestartet, an der sich etwa ein Viertel seiner 298 Mitglieder beteiligte. Das Ergebnis ist brisant: Es gebe noch immer vereinzelt die ernüchternde Erfahrung mit Ermittlungsbehörden, die signalisierten, dass Mandatsträger Beleidigungen oder Schmähungen aushalten müssten. Einige Bürgermeister berichten laut der Städtetagumfrage von Polizeistellen, die kaum ermittelten. Die meisten Verfahren würden von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Rund 80 Prozent der Bürgermeister gaben an, Beleidigungen auf Papier, per Email oder in sozialen Medien ausgesetzt zu sein; 65 Prozent sogar im persönlichen Kontakt. 32 Prozent haben demnach bereits Gewaltandrohungen erfahren; 19 Prozent sogar Tötungsandrohungen. Zwölf Prozent waren körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Beleidigungen oder Angriffe gegen Mitarbeiter in der Verwaltung geben 64 Prozent der Bürgermeister an. Bei Beleidigung und Bedrohung erstatteten aber jeweils 60 Prozent beziehungsweise 50 Prozent keine Anzeige.
„Konsequentes Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaften“
Gerade hinsichtlich der Kommunalwahl 2020 sagt Gribl: „Kommunalpolitiker erwarten ein konsequentes Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaften.“ Gleichzeitig dürften auch die betroffenen Amtsträger „Beleidigungen und Übergriffe nicht einfach hinnehmen“, sondern müssten konsequent Anzeige erstatten. Hunsteger-Petermann hält es für notwendig, „die begonnene gesamtgesellschaftliche Debatte über die Grundwerte unserer Demokratie und einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt weiterzuführen“. Amts- und Mandatsträger müssten eine Unterstützung des Staates, der Polizeistellen, der Staatsanwaltschaften und der Zivilgesellschaft spüren.
Ähnlich äußerte sich bereits im Januar der Präsident des Deutschen Städtetags, OBM Burkhard Jung aus Leipzig. „Wir müssen sicherstellen, dass Menschen, die sich bedroht fühlen oder bedroht werden, deutlich spüren, dass dieser Staat sie schützt.“ Dazu gehöre auch Bildungsarbeit in Vereinen und Schulen. Wer Hass, Hetze und Gewalt verbreite, greife nicht nur einzelne an, sondern „auch unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung“.
Aktuelles Beispiel für Hass und Hetze in Kaiserslautern
In Kaiserslautern sieht sich OBM Klaus Weichel im Augenblick besonders gravierenden Anfeindungen ausgesetzt. Im Zuge der lokalpolitischen Debatte um die Reduzierung der Stadionpacht für den Fußballdrittligisten 1. FC Kaiserslautern entlädt sich der Frust vieler FCK-Fans auf den Oberbürgermeister. Täglich ist Weichel Schmähungen, Anfeindungen und Bedrohungen im Internet oder durch Zuschriften ausgesetzt.
Das Foto oben zeigt den Rathausvorplatz in Kaiserslautern.