Das Bündnis „Städte sicherer Häfen“ will Zeichen für die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer zu setzen. Doch es gibt auch Kritik daran.

Im Mittelmeer ertrinken Flüchtlinge, weil Europa ein zerrissenes Bild abgibt. Offenbar können die Staaten weder eine effiziente Seenotrettung organisieren, noch sind sie sich einig, was den Umgang mit zivilen Rettern betrifft. Das Bündnis „Städte sicherer Häfen“ drängt auf Lösungen.

Das Bündnis wurde im Juni offiziell gegründet. Ihm geht die „Potsdamer Erklärung“ vom 3. Juni 2019 voraus, in der sich Städte solidarisch mit der „Initiative Seebrücke“ zeigen und ihre diesbezüglichen Forderungen an die Bundesregierung formulieren. Erstunterzeichner der Potsdamer Erklärung sind Berlin, Detmold, Flensburg, Freiburg, Greifswald, Hildesheim, Kiel, Krefeld, Marburg, Potsdam, Rostock und Rottenburg am Neckar sowie Heidelberg. Das Engagement im Netzwerk zeugt von der wachsenden Verantwortung für globale Themen, die Kommunen in einer immer stärker vernetzten Welt wahrnehmen.

„Das Bündnis fordert unter anderem vom Bund, dass die Städte, welche bereit sind, Schutzsuchende zusätzlich aufzunehmen, diese auch aufnehmen können“, erklärt der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert. Zudem fordern die Städte vom Bund dafür Unterstützung etwa in Sachen Finanzierung. „Gleichzeitig erwarten wir, dass sich der Bund für eine gesamteuropäische Lösung einsetzt“, sagt Schubert. Darüber hinaus schlägt die Potsdamer Erklärung – neben dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, der die Verteilung von Flüchtlingen auf die deutschen Kommunen regelt – einen zusätzlichen Verteilungsschlüssel für die Aufnahme von aus Seenot Geretteten vor.

„Dem Sterben im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen“

„Als Bischofsstadt ist es uns ein besonderes Anliegen, Menschen in Not zu helfen“, sagt Oberbürgermeister Stephan Neher aus Rottenburg am Neckar. Das Bündnis „Städte sicherer Häfen“ wolle den Druck auf die Verantwortlichen in Europa und im Bund erhöhen: „Es geht nicht um Zahlen oder etwa noch mehr Flüchtlinge, sondern darum, dass wir dem Sterben im Mittelmeer nicht mehr zusehen wollen.“ Für die geretteten Flüchtlinge entstehe daraufhin „kein Sonderstatus“, betont Neher. Es folge ein „ganz normales“ Asylverfahren.

Die Initiative Seebrücke ist 2018 aus zivilgesellschaftlichem Engagement entstanden und im Berliner Menschrechtsverein Menschmenschmensch beheimatet. Mittlerweile zählt sie über 100 lokale Gruppen. Über 80 Kommunen haben sich zum „Sicheren Hafen“ erklärt. Im neuen Bündnis „Städte sicherer Häfen“, das sich mit den Anliegen der Initiative Seebrücke solidarisiert, sind mittlerweile über 40 Städte vernetzt.

Nicht alle haben freie Kapazitäten

Doch nicht alle deutschen Städte haben freie Kapazitäten, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht. Beispielsweise sieht die rheinland-pfälzische Stadt Pirmasens aufgrund ihrer hohen Soziallasten und einer zusätzlich hohen Anzahl an Zuzügen von Flüchtlingen aus der Region in das Mittelzentrum die Integration vor Ort gefährdet. Deswegen gilt hier eine sogenannte Zuzugssperre für Flüchtlinge. Das bedeutet, dass die Stadt zwar die Flüchtlinge aufnimmt, die ihr regulär zugeteilt sind, dass aber – von Einzelfällen abgesehen – darüber hinaus keine weiteren Flüchtlinge nach Pirmasens ziehen dürfen. Die Zuzugssperre wurde bis Ende März 2020 verlängert.

Für die Sozialarbeit in der Stadt bedeutet die Regelung eine Entlastung. „Wir stehen aufgrund unserer enormen sozialen Anstrengungen, die wir ohnehin leisten, nicht an der vordersten Stelle in der Reihe der Städte, die zusätzliche Kapazitäten für die Aufnahme von Geflüchteten einbringen wollen oder können“, erklärt der Pirmasenser Oberbürgermeister Markus Zwick. Die Forderungen der Potsdamer Erklärung wertet er indes als ein „wichtiges Signal der Humanität seitens der Kommunen“. Sollte es zu einer im Bund oder in Europa abgestimmten Verteilung der Geretteten kommen, „wäre dies die beste Lösung, der sich auch Pirmasens nicht verschließen würde“, so Zwick. „Es ist aber nicht die Aufgabe von uns Städten, eine europäische Lösung herbeizuführen.“ Eine ähnliche Situation wie in Pirmasens gab es unter anderem in Delmenhorst, Salzgitter und Wilhelmshaven.

Keine kommunale Zuständigkeit

Auch der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl übt Kritik an dem „Etikett“ der „Sicheren Hafenstädte“ und distanziert sich davon. Erstens läge das Thema nicht in kommunaler Zuständigkeit, insofern seien entsprechende Vorstöße lediglich öffentlichkeitswirksame Symbolpolitik. Das Amt des Oberbürgermeisters und die öffentliche Hand, in diesem Fall die Stadt Augsburg, dürften aber „nicht zum Instrument politisch motivierter Gestaltung werden“. Zudem fänden sich unter den Statements der „Hafenstädte“ teilweise unterschiedliche Erklärungsinhalte. Grundsätzlich spreche sich Augsburg für die Seenotrettung aus. In diesem Fall allerdings ist Gribls Eindruck: „Die Initiative schert unterschiedliche kommunale Erklärungen in der praktischen Umsetzung und in der öffentlichen Kommunikation über einen Kamm.“

(Das Foto oben zeigt eine Impression vom Deutschen Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund. Dort war Seenotrettung ein zentrales Thema. Quelle: Deutscher Evangelischer Kirchentag/Monika Johna. Der Beitrag stammt aus der OBM-Zeitung, Ausgabe 3/19, und wurde zur Online-Veröffentlichung leicht überarbeitet.)

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