Städte bereiten sich auf die Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine vor. Dabei gibt es Unsicherheiten. Beispiel Ludwigshafen.

„Wir wissen ja noch gar nicht, was in welcher Menge wann auf uns zukommt“, sagt Jutta Steinruck. Vieles liegt noch im Unklaren. „Es müssen noch Rechtskreise geklärt werden, Verordnungen in nationales Recht umgesetzt werden.“ Trotzdem bereitet sich Ludwigshafen – wie alle deutschen Städte – derzeit auf die Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine vor. Dafür hat die Stadt nun eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, wo Hilfe gebündelt wird und an die sich Flüchtlinge wenden können. Gestern informierte Oberbürgermeisterin Steinruck in einer digitalen Pressekonferenz darüber.

Hilfskonvoi aus Ludwigshafen kommt in Kiew an

Derzeit ringt die Stadt vor allem um Wohnraum für die Schutzsuchenden. Private Angebote aus der Stadtgesellschaft – von der Grünfläche für den Containeraufbau über einzelne Zimmer bis hin zum ganzen Haus – werden sondiert. Gleichzeitig bereitet die Stadt eigene Unterkünfte vor. Die „riesengroße Hilfsbereitschaft“ der Bürger sei beeindruckend, so Steinruck. Dabei richtet die Kommune auch pädagogische und psychologische Unterstützungsangebote ein. „Wir wissen, dass viele traumatisierte Menschen bei uns Zuflucht suchen.“

Am vergangenen Freitag organisierte die Stadt einen Konvoi mit Hilfsgütern für ein Krankenhaus in Kiew. Dass das Material circa 100 Kilometer vor Kiew auf kleinere Fahrzeuge umgeschlagen werden musste, hat einen dramatischen Hintergrund: „Viele kleine Fahrzeuge geben kein so großes Ziel ab“, berichtet Steinruck. Letztlich sei das Material aus Ludwigshafen jedoch unbeschadet an seinem Ziel angekommen.

„Neuland“ bei der Flüchtlingsaufnahme

Zwar könne man auf den Strukturen aufbauen, die sich in der Stadt im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise 2015 bildeten. Dennoch betrete man an vielen Stellen „Neuland“. Die Verteilung der Flüchtlinge läuft in diesem Fall nämlich anders ab als 2015. Die Europäische Union hat die sogenannte Massenzustromrichtlinie in Kraft gesetzt. Wie diese konkret umgesetzt wird, müsse erst in nationalem Recht definiert werden. Hier gebe es noch einige Unsicherheiten, erklärt Steinruck.

Zunächst bedürfe es der Vorbereitung eines Bundesgesetzes, dann einer Abstimmung in Bundestag und Bundesrat darüber. Um bereits jetzt agieren zu können, stünden die Kommunen in engem Austausch mit den Innenministerien des Landes und des Bundes. Die Kommunikation funktioniere gut. Steinruck: „Wir werden fortwährend mit Informationen versorgt.“ So sei die kommunale Ebene handlungsfähig.

Wer kommt, wer bleibt? Drei Gruppen von Flüchtlingen

Im Wesentlichen erwartet die Stadt drei Gruppen von Flüchtlingen aus der Ukraine: Erstens diejenigen, die sich auf der Durchreise befinden. Diese Menschen müssen sich nicht registrieren, da sie sich 90 Tage visumsfrei aufhalten können.

Zweitens diejenigen, die in Ludwigshafen bei Freunden oder Verwandten unterkommen. Sie müssen sich bei der Stadt registrieren und einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis stellen. Bis diese erteilt ist – was etwa vier Wochen dauern kann – erhalten sie als Aufenthaltstitel eine Bestellbestätigung. Die Registrierung hat für die Stadt nicht nur den Effekt, dass sie den Überblick über die sich hier aufhaltenden Ukrainer behält, sondern auch, dass der Aufenthalt jener Menschen vermerkt ist und in Verteilquoten für die Zuweisung von neuen Flüchtlingen einfließen kann.

Drittens diejenigen, die in Ludwigshafen ankommen, aber ohne Unterkunft sind. Sie werden an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung verwiesen – für Ludwigshafen bedeutet dies die Erstaufnahmeeinrichtung im benachbarten Speyer. Dort werden die Menschen zentral erfasst und dann in die Kommunen verteilt.

Konkrete Flüchtlingszahlen noch ungewiss

Wie viele Menschen letztlich in die Stadt kommen, sei noch ungewiss. In der vergangenen Woche prognostizierte Steinruck für den Bund 280.000 Flüchtlinge. Angesichts des Kriegsgeschehens in der Ukraine und der dynamischen Fluchtbewegungen sei diese Zahl aber schon wieder überholt, sagte sie gestern.

Für die Stadtverwaltung bedeute die aktuelle Situation im Zusammenhang mit der anhaltenden Coronakrise eine zusätzliche Doppelbelastung. „Wir rücken alle zusammen und packen an“, so Steinruck über den pragmatischen Einsatz der Verwaltungsmitarbeiter. Angesichts der humanitären Notlage der Menschen in der Ukraine wolle man helfen, „ohne nach Geld zu fragen“. Gleichwohl verlasse sich die Stadt darauf, dass sie für ihr Engagement von Land und Bund einen angemessenen Finanzausgleich erhält.

Info

Intensiv begleitet #stadtvonmorgen die Reaktionen der deutschen Städte auf den Ukrainekonflikt. Hier geht es zu den neuesten Entwicklungen aus kommunaler Perspektive.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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