Angesichts globaler Herausforderungen wie der Coronakrise oder der Klimaanpassung nimmt die Bedeutung von Gesundheitsfragen im urbanen Kontext stetig zu. Allerdings bestehen bei der Berücksichtigung gesundheitlicher Aspekte in Stadtstrategien oft gravierende Defizite. Darauf weist nun eine vom Umweltbundesamt herausgegebene Broschüre hin. Die Publikation fordert, den Gesundheitsschutz und die -förderung für eine „gesunde Stadt“ stärker zu gewichten. Bezüglich einer „umfassenden Berücksichtigung gesundheitlicher Belange in der Planung“ bestehe „vielerorts noch Nachhol- und Unterstützungsbedarf“. Diese Lücken gelte es zu schließen.
„Gesunde Stadt“ als kommunalpolitische Aufgabe
„Es braucht das Commitment der Kommunalpolitik, damit Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe im Sinne von Health in All Policies in den Städten Realität wird“, heißt es in der Publikation. Gesundheit müsse übergreifend als kommunalpolitische Aufgabe begriffen werden. Sie bestimme wichtige stadtstrategische Felder: „Eine nachhaltige Mobilität mit weniger Lärm, mehr und qualitätsvolleres Grün, weniger Hitze und saubere Luft in der Stadt, gutes Wohnen und eine hohe Aufenthaltsqualität, soziales Miteinander und eine Beteiligungskultur, die alle einbezieht, ergeben zusammen das Bild einer gesunden Stadt.“
Das Papier „Gemeinsam planen für eine gesunde Stadt – Empfehlungen für die Praxis“ wurde im Auftrag des Umweltbundesamts vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) zusammen mit dem Planungsunternehmen LK Argus, der Hochschule für Gesundheit Bochum sowie der Medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld erarbeitet. (Auf seiner Webseite bietet das Umweltbundesamt einen kostenlosen Download der Publikation an.)
Räumliche Voraussetzungen fürs Wohlergehen schaffen
Konkret geht es in dem Papier um die räumlichen beziehungsweise stadtplanerischen Voraussetzungen für Ruhe, Erholung, Wohlergehen, Bewegung, Stressbewältigung, soziale Interaktion und Entspannung. Dabei seien vor allem die Lärmaktionsplanung, die Grün- und Freiraumplanung, die Bauleitplanung und die Stadtentwicklungsplanung gefordert. In diesen Bereichen bestehe „ein großes Potenzial, zur Gesundheit der Stadtbevölkerung beizutragen“. So hätten etwa der Lärmschutz, die Luftreinhaltung, die Hitzevorsorge oder die Klimaanpassung unmittelbare Effekte auf die individuelle Gesundheit.
Exemplarisch verweist die Borschüre außerdem auf die Neue Leipzig-Charta, das Memorandum Urbane Resilienz und die Sustainable Development Goals (SDG; Nachhaltigkeitsziele) der Vereinten Nationen. Diese Dokumente zeigen Leitplanken für eine nachhaltige Stadtentwicklung auf, und in allen spielen Gesundheitsaspekte eine Rolle. „Somit haben alle Ressorts und Ämter einer Stadt Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten, um ihren Beitrag für eine gesundheitsfördernde Stadt zu leisten“, heißt es in der Publikation des Bundesumweltamts.
Sportstättenplanung als wichtiges Handlungsfeld
Damit weitet die Publikation, die mit zahlreichen Praxisbeispielen nah an der kommunalen Lebenswelt argumentiert, zwar den Blick auf alle möglichen Bereiche des Verwaltungshandelns aus. In ihrer Schwerpunktsetzung schenkt sie der kommunalen Sportstätteninfrastruktur als eigenständiges Handlungsfeld und nicht nur als Teil der Grün- und Freiflächenplanung allerdings erstaunlich wenig Beachtung. Demgegenüber schrieb im vergangenen Dezember der sogenannte Bewegungsgipfel mit Vertretern des Bundes, der Länder, der Kommunen und des Sports gerade einer gezielten kommunalen Sportstättenplanung eine hohe Wirkkraft zu, was die räumlichen Voraussetzungen für Bewegungs- und Gesundheitsangebote betrifft.
In ihren Handlungsempfehlungen beschreibt die Broschüre schließlich die Rückkopplung mit der Stadtgesellschaft als einen Gelingensfaktor für eine „gesunde Stadt“. Praktische Hinweise aus der Bevölkerung auf gesundheitliche Belange seien in der Stadtplanung unbedingt zu berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür ist Saarbrücken, wo die Stadt während der Coronakrise gezielt ein Informationsportal für lokale Angebote zur mentalen Gesundheit aufgebaut hatte. Mit der klassischen Stadtplanung einer Verwaltung hat eine solche Vernetzung lokaler Akteure und deren Sichtbarmachung zwar nur bedingt zu tun; sie könnte aber wichtiges Element einer Aktivierung der Bürger für eine „gesunden Stadt“ sein.
Handlungsempfehlungen für eine „gesunde Stadt“
Genauso brauche es, um eine „gesunde Stadt“ zu entwickeln, eine diesbezüglich kommunikativ, kooperativ und interdisziplinär arbeitende Verwaltung, heißt es in der Publikation. Zum einen müssten die fachspezifischen Planungsstellen für gesundheitliche Belange sensibilisiert sein. Zum anderen müssten umgekehrt die Akteure des Gesundheitsressorts mit den Anforderungen der Raumplanung an sie vertraut sein.
Zudem bedürfe es einer Datenbasis bezüglich der gesundheitlichen und sozialen Situation in der Stadt. Diese gelte es, mit Umweltdaten anzureichern. So könnten sozialräumliche, stadtteil- oder quartiersbezogene Lagen und Besonderheiten erfasst werden. Die Notwendigkeit einer solchen Betrachtung zeigt ebenfalls die Coronakrise auf: Hier zeigte sich, dass sozial benachteiligte Menschen von der Krankheit beziehungsweise der Virusverbreitung stärker betroffen waren. Die Stadt Köln berücksichtigte daher in ihrer lokalen Impfstrategie gezielt sogenannte vulnerable Sozialräume.