In der Flüchtlingspolitik und beim Klimaschutz finden sich laut OB-Barometer des Difu die stadtstrategisch drängendsten Gestaltungsaufgaben.

Die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen ist das drängendste Thema, das die deutschen Oberbürgermeister derzeit beschäftigt. Gleichzeitig ist der Klimaschutz das strategisch relevanteste Zukunftsthema aus Sicht der Stadtlenker. Auffällig: Die Oberbürgermeister schätzen die Relevanz der Digitalisierung als Gestaltungsaufgabe für ihre Stadt heute deutlich geringer ein als in den vergangenen Jahren. Dies ist das Ergebnis des neuen, am Freitag erschienen OB-Barometers des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu). Für das OB-Barometer werden seit 2015 jährlich Oberbürgermeister von Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern befragt. Die diesjährige Umfrage fand im Januar und Februar statt.

Wichtigste Themen: Flüchtlings- und Klimapolitik

Dabei spiegeln die Umfrageergebnisse aktuelle Krisen, geopolitische Verwerfungen und deren Auswirkungen auf die kommunale Ebene wider. So zählen 56 Prozent der Oberbürgermeister die Unterkunft und die Integration von Flüchtlingen zu den „aktuell wichtigsten Aufgaben in der eigenen Stadt“. Im Vorjahr, also vor dem Ukrainekonflikt, erreichte dieser Aspekt einen zu vernachlässigenden Wert. Spiegelbildlich verliert die Bewältigung der Coronakrise als Gestaltungsaufgabe im diesjährigen OB-Barometer komplett an Bedeutung – die Pandemie ist aus Sicht der Verwaltungen wohl überwunden.

An zweiter Stelle sehen die Oberbürgermeister den Klimaschutz als derzeit wichtigste Aufgabe (50 Prozent) an. Damit erweist sich die Klimapolitik seit Jahren als Dauerthema im OB-Barometer. Gefolgt wird es von den Themen Wohnen (45 Prozent), Finanzen (37 Prozent) und Mobilität (36 Prozent).

Digitalisierung und Innenstadt verlieren an Relevanz

Die Digitalisierung verliert hingegen deutlich: Mit 16 Prozent zählen sie nur etwa halb so viele Oberbürgermeister wie im Vorjahr zu ihren wichtigsten Aufgaben. Das kann damit zusammenhängen, dass in vielen Städten mittlerweile Arbeitsstrukturen für die Smart City geschaffen sind. Das kann aber auch damit zu tun haben, dass nicht zuletzt angesichts krisenbedingt neuer Aufgaben, die sich den Städten stellen, eine gewisse „Digitalisierungsmüdigkeit“ einsetzt. Hinzukommt, dass der in Kommunen stark beachtete Förderwettbewerb „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundes ausläuft und das Onlinezugangsgesetz seine Ziele nicht erfüllt hat.

Bemerkenswert ist außerdem, dass die Innenstadtentwicklung mit 15 Prozent als Gestaltungsaufgabe in der Bewertung der Oberbürgermeister ebenfalls abfällt. Demgegenüber rückt die Schließung von Filialen des Warenhauskonzerns Galeria-Karstadt-Kaufhof derzeit gerade die Innenstadt in den Fokus der medialen Berichterstattung, und viele der betroffenen Städte stellen Überlegungen bezüglich der Zukunft ihres Zentrums an. Die Difu-Stadtforscher erklären die im OB-Barometer abnehmende Relevanz des Themas allerdings damit, dass die coronabedingte Verunsicherung hinsichtlich der Innenstadtentwicklung in vielen Städten wohl gewichen ist.

OB-Barometer: Klimaschutz das Zukunftsthema

Was die strategischen Zukunftsthemen der Oberbürgermeister betrifft, liegt der Klimaschutz wie in den Vorjahren mit 59 Prozent an der Spitze. Leider subsumieren die Stadtforscher unter dem recht allgemeinen Begriff „Klimaschutz“ offenbar sektorenübergreifend sowohl städtebauliche Aspekte der Klimaanpassung als auch Infrastrukturaufgaben wie die Strom- oder die Wärmewende. Angesichts dieser Vielfalt wundert es nicht, dass der Klimaschutz seit Jahren die Spitzenposition einnimmt. An dieser Stelle käme der Umfrage eine Differenzierung zugute, um die Prioritäten der Oberbürgermeister in Sachen Klimaschutz detailschärfer abzubilden.

Darüber hinaus benennt das OB-Barometer die Mobilität (38 Prozent), die Stadtfinanzen (34 Prozent), das Wohnen (34 Prozent) sowie die Unterkunft und die Integration von Flüchtlingen (32 Prozent) als langfristig wichtige Zukunftsthemen. Der Befund korrespondiert mit den Angaben, die die Oberbürgermeister zu den Rahmenbedingungen, die aus ihrer Sicht für die Kommunen zu verbessern sind, machen. Hier sehen sie Verbesserungsbedarf in folgenden Bereichen: Unterkunft und Integration von Flüchtlingen (66 Prozent), Finanzen (63 Prozent), Wohnen (60 Prozent) und Klima (57 Prozent).

Kühl: Klimaschutz und Wohnen sind Dauerthemen

„Die Unterbringung und Integration von Geflüchteten, ebenso wie in den vergangenen Jahren die Coronapandemie, sind Themen, die temporär eine große Herausforderung für die Kommunen bedeuten – nämlich immer dann, wenn sie akut sind. Dagegen zählen die Themen Klimaschutz oder Wohnen bereits über einen längeren Zeitraum zu den wichtigsten Handlungsfeldern“, fasst Difu-Institutsleiter Carsten Kühl das OB-Barometer zusammen. Nach Angaben des Difu beteiligten sich 122 von 193 angefragten Oberbürgermeistern an der Umfrage. Sie wird vom Städtetag und dem Städte- und Gemeindebund unterstützt.

Info

Das aktuelle OB-Barometer ist auf der Seite des Difu hier zu finden.

a.erb@stadtvonmorgen.de

Aktuelle Beiträge