Erst wenige Monate im Amt, plant der neue Hannoveraner Oberbürgermeister Belit Onay schon den Umbau der Verwaltung. Der Steuerzahlerbund kritisiert seine Pläne als zu teuer. Im Interview spricht Onay dagegen von einer notwendigen Neuordnung der Verwaltung für die Stadt von morgen. Mobilität, die Entwicklung zur Smart City und Nachhaltigkeit sind dabei Zukunftsthemen. Damit spiegeln sich in den Plänen Onays aktuelle Herausforderungen wider, denen Städte und Kommunen unterworfen sind. Der Umbau der Verwaltung in Hannover zeigt, wie diese Themen sich organisatorisch niederschlagen und wie sie die Prioritäten bei der Aufgabenverteilung in Rathäusern verändern.
OBM: Herr Onay, Sie sind noch recht „frisch im Amt“. Dennoch haben Sie schon eine Neugliederung der Stadtverwaltung vorgeschlagen. Wie ist denn Ihre Bestandsaufnahme, und was macht den organisatorischen Umbau nötig?
Belit Onay: Die Verwaltung der Landeshauptstadt Hannover hat 2018/2019 Turbulenzen erlebt, in deren Folge zwei Dezernate mit zusätzlichen Aufgaben betraut wurden. Das Kulturdezernat wird kommissarisch von Sozial- und Sportdezernentin Konstanze Beckedorf geleitet. Das Personaldezernat wird in Kombination mit dem Bildungs-, Jugend- und Familiendezernat von Stadträtin Rita Maria Rzyski geführt. Die deutlich erweiterten Zuschnitte dieser Dezernate sind auf Dauer nicht handhabbar und sinnvoll.
„Hannover als Stadt mit hoher Lebensqualität in die Zukunft führen“
OBM: Welche zentralen Neuerungen planen Sie denn, und welche inhaltlichen Akzente wollen Sie dadurch setzen?
Belit Onay: Mit der Wiedereinrichtung eines Kulturdezernates betonen wir die Bedeutung Hannovers als Kulturstadt – nicht zuletzt mit Blick auf die bisher schon sehr erfolgreiche Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Das neue Personaldezernat wird sich um das zentrale Zukunftsthema der Digitalisierung kümmern. Der Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters wird einerseits durch Neuzuordnung einiger Aufgabenbereiche in die Fachdezernate verschlankt, andererseits werden wir hier mit einer Stabsstelle Mobilität diesen für die Zukunft unserer Stadt eminent wichtigen Bereich bündeln.
OBM: Welche „größere Idee“ steckt hinter Ihrem Vorstoß der Neugliederung?
Belit Onay: Ich will Hannover als Stadt mit hoher Lebensqualität für alle Menschen in die nächste Zukunft führen. Als Stadt, die sich auf die Anforderungen des Klimawandels zum Beispiel mit neuen Mobilitätskonzepten genauso vorbereitet wie auf Herausforderungen sozialen Ausgleichs. Und die dabei ihre kulturellen Ressourcen nutzt ebenso wie innovatives Potenzial. Zielsetzungen, die sich übrigens auch in der Coranakrise mit ihren vermutlich langfristigen Auswirkungen auf das Leben der Menschen nicht verändern, sondern im Gegenteil in ihrer Bedeutung unter neuen finanziellen Rahmenbedingungen noch verstärkt haben. Für all das braucht es eine Verwaltung, die auch zukünftig effektiv agieren kann.
„Ein Oberbürgermeister handelt nicht autark“
OBM: Welches organisatorische Kernprofil braucht eine Verwaltung aus Ihrer Sicht, um für die Aufgaben der Zukunft gerüstet zu sein und den Anforderungen der Stadtgesellschaft an eine moderne Verwaltung gerecht zu werden?
Belit Onay: Die Struktur sinnvoll aufgestellter Dezernate, in denen Fachkompetenz gebündelt ist, ist weiterhin das Grundgerüst – und ist sicher auch wesentlich, um den Menschen in der Stadt verlässliche Ansprechpartner und Orientierung zu geben. Da die Aufgaben heute immer komplexer werden, braucht es in vielen Fragen dezernatsübergreifende Kooperationen und Durchlässigkeit. Steuerungsgruppen oder Stabsstellen können projektbezogenes Denken und Handeln abbilden.
OBM: Wie gleichen Sie diese mit den politischen Gremien und den führenden Verwaltungsebnen ab?
Belit Onay: Ein Oberbürgermeister handelt nicht autark. So führe ich regelmäßig intensive Gespräche mit Vertretern der Ratsfraktionen sowie den Dezernenten und der Vorsitzenden des Gesamtpersonalrates. Wenn immer möglich nehme ich an fachübergreifenden Routinesitzungen der Fachbereichsleiter und Personalversammlungen teil. Reaktionen aus den Runden nehme ich in meine Vorschläge und Entscheidungen selbstverständlich auf.
„Aufgabenkritik ist eine Daueraufgabe der Verwaltung“
OBM: Die Einrichtung des neuen Personaldezernats und der neuen Stabsstelle kann für den städtischen Haushalt ein personalbedingter Mehraufwand in Höhe von rund 800.000 Euro entstehen. Der Steuerzahlerbund kritisiert, dass der Verwaltungsumbau diese zusätzlichen Kosten verursache. Wie rechtfertigen Sie diese?
Belit Onay: Eine Verwaltung muss so aufgestellt sein, dass sie den Anforderungen an ihre Arbeit gerecht werden kann. Aufgabenkritik ist dabei selbstverständlich. Der Reflex, „Das kostet zusätzlich!“ oder „Verwaltung arbeitet nicht effektiv!“ ist einfach – und wird den Leistungen der Mitarbeitenden nicht gerecht.
OBM: Sehen Sie über Ihren Ansatz hinaus noch „Verschlankungspotential“?
Belit Onay: Aufgabenkritik ist eine Daueraufgabe der Verwaltung, der sie sich immer wieder stellt – und dabei veränderte Rahmenbedingungen berücksichtigt. Als Ergebnis kann sich auch Verschlankungspotenzial ergeben.