Es ist wie eine imposante urbane Berglandschaft: Auf dem Dach des monumentalen Gebäudes mit seiner weltweit einzigartigen Architektur erstreckt sich eine weite Parklandschaft. Und dort, wo das Gebäude schräg abfällt, beginnt eine 450 Meter lange Skipiste mit vier Liften. Das Freizeitgelände inmitten der Stadt lädt ein zum Skifahren und Snowboarden auf Kunstrasen, zum Klettern oder Wandern. Aus der Ferne betrachtet, recken sich die markante Gestalt des 85 Meter hohen Gebäudes und ein an seiner höchsten Stelle emporwachsender Schlot wie eine spektakuläre Landmark gen Himmel. Es handelt sich um „CopenHill“, eine Abfallverbrennungsanlage im dänischen Kopenhagen, auf deren Dach ein riesiges Outdoor- und Freizeitparadies entstanden ist.
Energiewende: Kraftwerke versorgungsrelevant
Während das Abfallwirtschaftszentrum mit der Verbrennung von täglich 1.000 Tonnen Abfall nach eigenen Angaben jährlich Strom für 30.000 Haushalte und Wärme für 70.000 Haushalte produziert, bietet das 2019 eröffnete Freizeitzentrum auf seinem Dach die Kapazität für über 300.000 Besucher pro Jahr. Nicht nur seine besondere Architektur macht CopenHill zu einem städtebaulich wegweisenden Areal. Auch die Kombination aus Abfallverbrennungsanlage und Freizeitfläche ist zukunftsträchtig. CopenHill ist ein besonders augenfälliges Beispiel für eine effiziente und innovative Flächennutzung. Und dafür, wie die Entwicklung der sozialen Infrastruktur im urbanen Raum mit dem Bau eines Kraftwerks gekoppelt werden könnte.
So könnte CopenHill auch für deutsche Städte ein Vorbild sein. Denn der Umstieg auf erneuerbare Energien mache Kraftwerke keineswegs obsolet, sagt Jürgen Peterseim. Schließlich reiche hierzulande gewonnene Energie – etwa Strom aus Sonne und Wind oder Wärme aus Biogas – wohl nicht aus, um den immensen Energiebedarf Deutschlands vollständig zu decken. Auch wenn man sich von fossilen Energieträgern wie Kohle abwende, werde man zukünftig wohl weiterhin effiziente Kraftwerke brauchen, um ganze Städte und energieintensive Industrieparks adäquat mit Energie versorgen zu können. Als Energieträger käme dann beispielsweise grüner Wasserstoff in Frage. Peterseim ist Wasserstoffexperte beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC Deutschland.
Städte als Innovationspartner für Kraftwerkkonzepte
Hinsichtlich der Energiewende und des Umstiegs auf erneuerbare Energien und Energieträger wie grünen Wasserstoff seien die 2020er Jahre die „Dekade der Infrastruktur“, in der die wichtigen Weichen für Erzeugung und Import sowie Versorgung und Nutzung zu stellen seien, sagt Peterseim. Die Kommunen und vor allem die Städte mit ihren Stadtwerken seien dabei Schlüsselakteure. Dauere der Bau eines Kraftwerks etwa sechs bis zehn Jahre, dann seien sie bereits jetzt gefragt, in die strategische Planung einzusteigen und sich konzeptionell vorzubereiten.
Dies gelte nicht nur auf lokaler Ebene für die zukunftsfähige Ausrichtung der eigenen Infrastruktur zur Energieversorgung. Auch für die Industrie und die nationale Ökonomie könnten Städte zu wichtigen Innovationspartnern werden. Peterseim denkt an die Ingenieurs- und Entwicklungskompetenzen Deutschlands. Längst gehe es im globalen Wettbewerb nicht mehr allein um den Export von Technologien – etwa Brennstoffzellentechnik –, sondern auch um damit verbundene Ideen und Konzepte.
Dies gelte eben beispielsweise für Brennstoffzellenkraftwerke, die in den urbanen Raum integriert sind. Voraussetzung für den global erfolgreichen Export eines solchen Konzepts sei allerdings seine Umsetzung in der Praxis, also in einer Stadt. Es sei also naheliegend, dass Städte und Industrie gemeinsam entsprechende Zukunftskonzepte für moderne Kraftwerke entwickeln und Leuchtturmprojekte umsetzen.
Vernetzt in der Stadt: Kraftwerke und soziale Infrastruktur
Aus Sicht der Stadtentwicklung müsse es bei der Konzeption eines Kraftwerks und seiner Platzierung im urbanen Raum darum gehen, im Sinne einer optimalen Flächennutzung innovativ, städtebaulich vernetzt und verschiedene Funktionen integrierend zu planen. Blieben dabei Flächenpotentiale für die gemeinschaftliche Nutzung erhalten und würden nicht nur für den Anlagenbau verschlungen, bewahre dies die Aufenthalts- und Lebensqualität einer Kommune. Zudem träfen auf diese Weise gravierende Bauvorhaben in der Bevölkerung auf eine weitaus höhere Akzeptanz, erklärt Peterseim. Das Beispiel CopenHill mache vor, wie scheinbare Gegensätze – soziale Infrastruktur und der Bau eines Kraftwerks – zusammengedacht werden können.