Als Thomas Eiskirch 2015 Oberbürgermeister von Bochum wurde, hatte der Automobilhersteller Opel seine dortige Fabrik gerade geschlossen. Rund 22.000 Menschen arbeiteten zu den Hochzeiten des Werks in der Bochumer Fabrik. Am Ende waren es nur noch 3.300. Doch es blieb keine Brache: Heute entwickeln sich auf der ehemaligen Opel-Fläche neue Perspektiven für die 371.000-Einwohner-Stadt. Das Areal zählt zu den erfolgreichsten Konversionsprojekten in Deutschland.
Mark 51°7: Konsequenz als Erfolgsfaktor der Konversion
Dabei rang die Lokalpolitik einst intensiv um den Verbleib der Fabrik. Eiskirchs Vorgängerin Ottilie Scholz verbrachte nahezu ihre komplette Amtszeit damit – vergeblich. „Opel war nach der Zeit des Bergbaus ein Ankerpunkt“, erinnert sich Eiskirch. Das Werk, das in den 1960er Jahren entstand, kompensierte für Bochum den Jobverlust, den das Ruhrgebiet im Bergbau zu verkraften hatte.
Es ist das urbane Worst-Case-Szenario: Der größte Arbeitgeber am Platz, lange ein Imageträger der Stadt, verschwindet. Was bleibt, ist eine Brachfläche. Die Stadt steht vor einem tiefgreifenden Transformationsprozess, und dessen Ausgang ist ungewiss. „Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen großer Konversionsprojekte ist es, keine Angst vor dem Wandel zu haben“, sagt der Oberbürgermeister.
Sein Erfolgskonzept für das Gelände: erst die frühe Bereitschaft und der Mut zur Veränderung, dann die Muse und die Zeit für ein klares Konzept und schließlich eine hohe Geschwindigkeit bei dessen Umsetzung. Das setzt er auf dem Gelände des alten Opel-Werks, der Mark 51°7, wie es heute in Anlehnung an die Koordinaten seines Breiten- und Längengrads heißt, um.
Früh an neuen Perspektiven fürs Opel-Gelände gearbeitet

Konversion auf dem ehemaligen Opel-Gelände in Bochum: Der Umbau des Areals bedeutet eine städtebauliche Transformation. (Quelle: Stadt Bochum/Spectair)
Noch als manche im Werk auf dessen Erhalt hofften, beschäftigte sich Eiskirch – damals wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag – mit dem Szenario einer Konversion. Das erforderte Mut, insbesondere im politischen Raum. Schließlich wollte keiner, solange es noch die vage Hoffnung auf einen Fortbestand des Werks geben könnte, dafür das vermeintliche Totenglöckchen läuten.
„Wir haben es damals gewagt, über die Zukunft zu sprechen, obwohl die Schließung noch nicht besiegelt war“, sagt Eiskirch. „Gleichzeitig waren wir selbstverständlich solidarisch mit denen, denen der Verlust ihres Arbeitsplatzes drohte.“ Die frühzeitige Beschäftigung mit neuen Perspektiven für das Gelände erwies sich als wichtige strategische Weichenstellung.
Im Dezember 2014 lief in Bochum der letzte Zafira vom Band. Noch während Opel produzierte, wurden Pläne für die Zukunft der Fläche geschmiedet und dafür sogar erste Förderbescheide erteilt. Drei Jahre, nachdem sich Opel zurückgezogen hatte, konnten dort schon wieder neue Jobs in einem Büroneubau angesiedelt werden. Das Konversionsprojekt in Bochum legt ein hohes Tempo vor, und das ist einer seiner Erfolgsfaktoren.
Projektgesellschaft: Opel kooperiert mit der Stadt Bochum
Daran beteiligt war auch das Unternehmen selbst. Durch dessen Einbindung habe man vermieden, dass aus dem ehemaligen Werk eine Industriebrache geworden sei, die in einen jahrelangen Dornröschenschlaf falle, bevor man überhaupt neue Nutzungsoptionen erwäge, sagt Eiskirch. An der Projektgesellschaft, der Bochum Perspektive 2022 GmbH, waren die Stadt über ihre Wirtschaftsförderungsgesellschaft zu 51 Prozent und Opel zu 49 Prozent beteiligt.
Am 11. Februar teilte die Stadt mit, dass Opel nun sein Engagement abschließe und damit aus der gemeinsamen Gesellschaft ausscheide. Gleichwohl ist sie ein Beispiel dafür, wie ein Unternehmen für den Standort, den es verlässt, Verantwortung übernehmen kann. Aufgabe dieser Gesellschaft, in die Opel sein 69,3 Hektar großes Gelände von Werk 1 im Stadtteil Laer – einem der drei ehemaligen Bochumer Standorte – zum symbolischen Preis von einem Euro einbrachte, ist es, dieses Areal baureif zu machen und es zu vermarkten.
Die Aufbereitung dieser Fläche wird vom Land und der EU mit insgesamt rund 70 Millionen Euro gefördert. Der Eigenanteil, den sich Stadt und Opel in der Projektgesellschaft teilen, liegt bei rund 30 Millionen Euro. Dabei geht es insbesondere um die Belastungen des einstigen Kohleabbaus, der hier stattfand, bevor Opel sein Werk eröffnete. Für die Beseitigung selbstverursachter Verschmutzungen kommt Opel auf. Die Erlöse aus der späteren Vermarktung werden mit den Förderungen verrechnet.
Erfolgreiche Konversion: Mehr Arbeitsplätze als zuvor

OBM Thomas Eiskirch (Quelle: Stadt Bochum/Martin Steffen)
Für den Standort ergäbe sich nun die „große Chance“, auf der Fläche eine neue Wirtschaftsstruktur zu entwickeln. Nach gelungener Konversion biete das Areal mehr Perspektiven als der Zustand, der 2014 geherrscht habe, sagt Eiskirch. Dies zeichnet sich bereits ab: Schon jetzt haben sich 15 Unternehmen für den Standort entschieden und siedeln damit rund 6.000 Arbeitsplätze an. Bis 2025 gehen erwartet die Stadt rund 8.000 Jobs auf dem Gelände.
Dabei folgt die Flächenentwicklung einer Konzeption, die für den Standort profilbildend ist und ihm Alleinstellungsmerkmale verschafft. Unter anderem liegt ein Fokus auf wissenschaftsbasierten Themen wie dem Aspekt IT-Security. Der spiegelt sich etwa in Ansiedlungen aus der Ruhr Universität Bochum sowie diverser Institute sowie des Unternehmens Bosch wider.
Zudem prägt der Bereich Logistik die Geländenutzung: DHL realisiert ein Paketzentrum mit rund 600 Arbeitsplätzen, das schon im nächsten Jahr eröffnet. Und die Firma Opel ist in Bochum-Langendreer nach wie vor mit einem Warenverteilzentrum und 700 Mitarbeitern vor Ort. Darüber hinaus gibt es weitere thematische Schwerpunkte für das Areal, darunter sind Gastronomie, Hotellerie und Nahversorgung sowie soziale und grüne Infrastrukturen in Anbindung an den angrenzenden Stadtteil. Von den 69,3 Hektar sind bereits rund 65 Prozent vermarktet.
Der Artikel stammt aus dem Jahr 2018 und ist für die Onlineveröffentlichung leicht überarbeitet und aktualisiert worden.