Städte rufen nach Gemeinwohlorientierung im Städtebau. GBI-Aufsichtsrat Beugel ist mit kommunalem Einfluss einverstanden, zeigt aber dessen Grenzen.

Von steigenden Mieten und Wohnraummangel über leerstehende Warenhäuser bis hin zum Umgang mit Schrottimmobilien – vielerorts ringen Kommunen mit den Effekten des Immobilienmarkts auf den Städtebau. Der Ruf nach Steuerungsinstrumenten und einem Rahmen für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung wird lauter. Doch wie sehr kann sich die private Bau- und Immobilienwirtschaft dem Gemeinwohl verpflichten? Wo endet Gemeinwohlorientierung, und wo beginnt das Streben nach Gewinnmaximierung? Darüber spricht Markus Beugel im OBM-Interview. Beugel ist Aufsichtsratsvorsitzender des Immobilienunternehmens GBI und Geschäftsführer der „Moses Mendelssohn gemeinnützige Stiftungs GmbH“. Die Moses Mendelssohn Stiftung engagiert sich für die europäisch-jüdische Verständigung. Gleichzeitig ist sie Eigentümerin der GBI-Unternehmensgruppe. Das Beispiel zeigt, wie sich der Geist der Gemeinwohlorientierung in der Stadtentwicklung auch im Kontext privatwirtschaftlichen Engagements widerspiegeln kann. Beugel zeigt aber auch Grenzen kommunaler Marktsteuerung auf.

„Für uns spielt der europäische Gedanke eine große Rolle“

OBM: Herr Beugel, vorab: Die Moses Mendelssohn Stiftung engagiert sich für die europäisch-jüdische Verständigung. Wie realisieren Sie den Stiftungszweck, welches sind markante Bausteine dafür?

Markus Beugel: Wenn wir über die GBI sprechen, müssen wir sogar grundsätzlich zwei Stiftungen mitdenken. Das ist einmal die Moses Mendelssohn Stiftung als Muttergesellschaft und zum zweiten die FDS Gemeinnützige Stiftung, die das studentische Wohnen fördert und entsprechende, von der GBI gebaute Apartmenthäuser betreibt. Was die Moses Mendelssohn Stiftung betrifft, engagiert sie sich für Projekte der Verständigung, darunter Tagungen oder Ausstellungen. Dabei ist sie auch mit besonderen Immobilienprojekten beschäftigt, etwa einem Vorhaben in Berlin-Grunewald am „Gleis 17“. Dabei handelt es sich um einen ehemaligen Deportationsbahnhof, von dem aus ab Herbst 1941 über 50.000 Juden in Arbeits- und Vernichtungslager transportiert wurden. Hier errichtet die Stiftung einen Gedenkort in Verbindung mit 150 Apartments für Studierende. Ein zweites Erinnerungsprojekt ist die Sanierung und Rettung des Gebäudes der Samson-Schule in Wolfenbüttel. An diesem historischen Standort der 1786 gegründeten jüdischen Schule sollen gemeinnützige Wohnformen wie geförderte Studentenapartments, Erinnerungsräume und Ausstellungen realisiert werden.

OBM: Ein wesentlicher Teil der Stiftungsaktivitäten wird über die GBI finanziert, also durch Bauvorhaben und Projektentwicklungen in Städten. Kann man sagen, dass Sie Stadtentwicklung im Zeichen der europäischen Verständigung betreiben?

Markus Beugel: Ich würde es eher so formulieren, dass das Handeln der GBI – vor allem das im Bereich des geförderten Wohnungsbaus, des studentischen Wohnens oder von Einrichtungen für Senioren – geprägt ist vom Gedankengut, das die Führungskräfte der GBI in den verwandten gemeinnützigen Organisationen aufgebaut haben. Da spielt der europäische Gedanke eine große Rolle. Denn er ist Grundlage für die europäische-jüdische Verständigung. Dies spiegelt sich auch in der Förderung von Bauwerken mit deutsch-jüdischer Vergangenheit wider.

Gemeinwohlorientierung: Wirtschaftlichkeit in Leitplanken

OBM: Diese ist aber nicht primärer Zweck der GBI.

Markus Beugel: Die GBI baut nicht, um Denkmäler und Gedenkstätten zu errichten. Wir beschäftigen und mit speziellen Marktsegmenten wie dem des des geförderten Wohnungsbaus. Die entsprechenden Projekte mögen nicht ganz so lukrativ sein wie Projekte im frei finanzierten Wohnungsbau. Doch wir sehen es als unsere Aufgabe an, Bauwerke zu errichten, die zwar wirtschaftlich ausgerichtet sind, bei denen aber nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht.

OBM: Was bedeutet der Geist der Stiftung denn nun für einzelne Projekte: Wo beginnt die Gemeinwohlorientierung, und wo endet das Streben nach Gewinnmaximierung?

Markus Beugel: Die GBI ist ein Wirtschaftsunternehmen. Selbstverständlich müssen die Bauvorhaben der Firma auf wirtschaftlich stabilen Füßen stehen. Aber gleichzeitig bewegen sich die Projekte in gewissen Leitplanken. Diese kommen hauptsächlich aus der Sicht des Vermietermarkts. Wir wollen unsere Wohnungen, zum Beispiel für studentisches Wohnen, so günstig wie möglich anbieten. Wir streben also nicht nach der höchsten Rendite, sondern nach Projekten, die funktionieren und den unterschiedlichen Perspektiven darauf am ehesten gerecht werden.

„Die Kommune sollte ihre Vorgaben mit Augenmaß setzen“

„Wir wollen unsere Wohnungen, zum Beispiel für studentisches Wohnen, so günstig wie möglich anbieten“, sagt GBI-Aufsichtsrat Markus Beugel. „Wir streben also nicht nach der höchsten Rendite, sondern nach Projekten, die funktionieren und den unterschiedlichen Perspektiven darauf am ehesten gerecht werden.“ (Quelle: GBI Holding AG/glasgow fotografie)

„Wir wollen unsere Wohnungen, zum Beispiel für studentisches Wohnen, so günstig wie möglich anbieten“, sagt GBI-Aufsichtsrat Markus Beugel. „Wir streben also nicht nach der höchsten Rendite, sondern nach Projekten, die funktionieren und den unterschiedlichen Perspektiven darauf am ehesten gerecht werden.“ (Quelle: GBI Holding AG/glasgow fotografie)

OBM: Im Augenblick fordern Städte vermehrt vom Bund und der europäischen Politik – nicht zuletzt hinsichtlich der Neuen Leipzig-Charta, die im November verabschiedet werden soll –, die Gemeinwohlorientierung in der Stadtentwicklung zu stärken. Wie sind Ihre Erfahrungen: Steht die Gemeinwohlorientierung in der Stadtentwicklung im Spannungsfeld zu privatwirtschaftlichem Engagement? Wie lässt sich beides in Einklang bringen?

Markus Beugel: Als privatwirtschaftliches Unternehmen kommen wir gut damit zurecht, dass Kommunen Restriktionen setzen. Wir sind auch gerne dazu bereit, uns entsprechend in die jeweilige Quartiersentwicklung einzubringen. Etwa verfügen wir über einen großen Erfahrungsschatz, wenn es darum geht, unterschiedliche Nutzungen zusammenzubringen. Das gilt auch für gefördertes Wohnen und sonstige Einrichtungen wie wir es im Augenblick beispielsweise in Regensburg umsetzen (Foto oben), wo gefördertes Wohnen in Kombination mit einer Kita entsteht. Letztlich sollte die Kommune ihre Vorgaben allerdings mit Augenmaß setzen.

OBM: Wie meinen Sie das?

Markus Beugel: Geförderten Wohnungsbau kann sich eine Stadt alleine nicht leisten. Das geht nicht ohne staatliche Förderung. Dies ist letztlich nicht nur eine Frage des sozialpolitischen Willens, sondern auch eine der finanzpolitischen Machbarkeit. Zudem muss für eine vitale Entwicklung des örtlichen Wohnungsbestandes gleichzeitig der Raum im frei finanzierten Wohnungsbau bleiben. Wenn das Spiel der Kräfte im freien Markt stagniert, kann dies zu Investitionshemmnissen und somit zu einer Stagnation bei der Wohnraumentwicklung führen. Dort, wo Kommunen zu stark in die Bautätigkeiten und den Immobilienmarkt eingreifen, kann es vorkommen, dass diese ins Stocken geraten. Nur mit Mietrestriktionen oder Nutzungsvorschriften kommt man nicht zwangsläufig zu mehr Wohnraum. Soziale Marktwirtschaft bedeutet marktwirtschaftliche Prinzipien mit sozialer Komponente. Auch dort, wo Kommunen eingreifen, geht das eine nicht ohne das andere.

„Rund ein Drittel geförderter Wohnungsbau vertretbar“

OBM: Doch was ist das Maß der Dinge zwischen Wohnraumförderung, Restriktionen und freiem Markt? Was halten Sie von einer Quote für geförderten Wohnungsbau?

Markus Beugel: Jede Stadt ist anders. Daher ist schwer, ein allgemeingültiges Raster anzulegen. Da geht es um Faktoren wie die sozialen Bedingungen vor Ort, die Ausprägung des jeweiligen Quartiers, bauliche und räumliche Voraussetzungen, die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung, auch um politische Ziele et cetera. Rund ein Drittel geförderter Wohnungsbau halten wir in Kommunen für vertretbar und ein vernünftiges Maß. Zu den Rahmenbedingungen gehört aber auch, dass die Wohnungsbauförderung in Deutschland zwischen den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ist. An einzelnen Stellen hat man den Eindruck, sie sei am „grünen Tisch“ entstanden und etwas realitätsfern. Es gibt Bundesländer, in denen der geförderte Wohnungsbau nicht für alle Marktteilnehmer offen steht.

Stärkere Abstimmung der Länder in der Wohnungsbauförderung

OBM: Was wäre eine Lösung dafür? Eine bundesweite Vereinheitlichung der Fördersysteme?

Markus Beugel: Der Privatwirtschaft käme eine stärkere Vereinheitlichung wohl entgegen. Doch es wäre schon viel gewonnen, würden sich die Länder stärker untereinander abstimmen: Wo funktioniert welches Instrument, welches Bundesland hat mit welchen Konzepten Erfolg. Bayern hat mit der Einkommensorientierten Förderung in meinen Augen ein vorbildliche Fördersystem. Es ist für alle Marktteilnehmer offen, nicht nur für städtische Wohnungsbaugesellschaften oder ähnliche. Es verbindet die vernünftige wirtschaftliche Grundlage im Sinne eines Baukostenzuschusses mit einem sozialen Aspekt, nämlich der Bedürftigkeit der Mieter im Sinne eines Mietzuschusses je nach Einkommenslage.

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