Die Zahlen seien ein „deutlicher Weckruf“ auch an die Bundespolitik. So bewertet Oberbürgermeister Dieter Reiter den Anfang März veröffentlichten aktuellen Münchener Mietspiegel. Demnach steigt die durchschnittliche ortsübliche Nettomiete in München auf 14,58 Euro pro Quadratmeter. 2021 waren es 12,05 Euro, 2019 noch 11,69 Euro. Damit hat sich das Mietniveau innerhalb kurzer Zeit um über 20 Prozent erhöht. Bundespolitisch müsse dringend „erheblich mehr als bisher für den Erhalt und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums gerade in den Ballungsräumen getan werden“, sagt Reiter auf Nachfrage von #stadtvonmorgen.
Versorgung mit Wohnraum als urbane Herausforderung
München verzeichne eine „weiterhin enorm hohe Nachfrage nach Wohnraum“. Ein ähnliches Bild zeigt sich in vielen deutschen Großstädten. Absehbar nehme die Nachfrage in München weiter zu. „Die Versorgung der Münchener mit – insbesondere bezahlbarem – Wohnraum ist eine der wichtigsten Aufgaben der Landeshauptstadt“, unterstreicht Reiter. Das steigende Mietniveau bringe sozialräumliche Umwälzungen mit sich.
„Zu befürchten ist, dass die Verdrängung von Bürgern mit geringem und durchschnittlichem Einkommen aus innerstädtischen, teureren Bezirken sich verstärken wird“, warnt Reiter. „Die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb der Stadtgesellschaft wird angesichts höherer Mietpreise bei gleichzeitig erheblich ansteigenden Energie- und Lebensmittelpreisen weiter auseinandergehen.“
Dem Trend steigender Mieten begegnen
Die Zahlen des Münchener Mietspiegels ließen erkennen, „dass die bisherigen Instrumente zur Dämpfung der Mietpreise auf dem freien Wohnungsmarkt bei weitem nicht ausreichen, um ein erhebliches Ansteigen der Mietpreise zu verhindern“. Der Bund müsse den wohnraumpolitischen Rahmen setzen, um dem Trend steigender Mieten etwas entgegenzusetzen.
Reiter: „Das reicht von mieterschützenden Regelungen wie einer Reform der Mietspiegelerstellung, sodass alle Wohnungen – auch die geförderten – einfließen dürfen, einer Kappungsgrenze für Indexmieterhöhungen bis hin zu einer Bodenrechtsreform und der Umsetzung der in der Koalitionsvereinbarung 2021 getroffenen Aussage, jährlich bundesweit 400.000 Wohnungen neu zu bauen.“
Reiter mit wohnraumpolitischen Vorschlägen
Konkrete Vorschläge unterbreitete Reiter in einem Schreiben vom 9. Dezember 2022 an Bundeskanzler Olaf Scholz. Darin regte er unter anderem an, die Wohnungsbauförderung mit höheren und verlässlicheren Finanzmitteln von Bund und Ländern auszustatten. Was geförderten Wohnraum betrifft, plädiert Reiter außerdem für „längere, möglichst sogar dauerhafte“ Bindungen. Die Stadt München nimmt in der Regel bei gefördertem Wohnraum eine Bindung – etwa Preis- oder Belegungsbindung – von 40 Jahren auf privaten und von 60 bis 80 Jahren auf städtischen Flächen an. Reiter schlägt vor, dass die längere Bindung von 60 bis 80 Jahren auch für private Flächen gilt.
Darüber hinaus spricht er sich für die Wiederherstellung des kommunalen Vorkaufsrechts in Erhaltungssatzungsgebieten und eine Ausweitung des Vorkaufsrechts auf das gesamte Stadtgebiet aus. Das Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten war zuletzt durch ein Gerichtsurteil ausgehöhlt worden. Derzeit laufen Initiativen, es gesetzlich nachzuschärfen.
Baulandmobilisierungsgesetz: Land lässt München warten
Zudem nimmt Reiter das Land in die Pflicht. Nachdem der Bund mit dem sogenannten Baulandmobilisierungsgesetz 2021 die diesbezüglichen Handlungsmöglichkeiten der Kommunen gestärkt hat, liegt die Umsetzung der neuen Regeln zum Teil auf Landesebene beim Freistaat Bayern. Konkret geht es um das Verbot, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Die dafür notwendige Rechtsverordnung habe der Freistaat „leider immer noch nicht erlassen“, bemängelt Reiter.
In der Diskussion um das Umwandlungsverbot hofft Reiter überdies darauf, „dass möglichst viele Wohnungen einbezogen werden und die Verordnung für alle Gebäude mit mehr als drei Wohnungen gilt“. Mindestens müsse sie für Gebäude mit fünf Wohneinheiten gelten. Das Reglement mit einer Gültigkeit für Gebäude mit mehr als zehn Wohneinheiten, wie es derzeit vom Freistaat geplant sei, gehe aus seiner Sicht nicht weit genug. Grundsätzlich spricht sich der Oberbürgermeister angesichts des angespannten Wohnungsmarkts für ein „stadtweites Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen“ aus.
Wohnraum: Stadt, Land, Bund und Investoren gefragt
Die Stadt München selbst unternimmt immense eigene Anstrengungen, um wohnraumpolitisch zu wirken. Sie wolle „alle zur Verfügung stehenden Instrumente“ nutzen, so Reiter. Unter anderem hat München das bundesweit finanzstärkste kommunale Wohnungsbauprogramm in Deutschland. Das bereits seit 1989 bestehende wohnungspolitische Handlungsprogramm „Wohnen in München“ wurde zuletzt zum siebten Mal für die Jahre 2023 bis 2028 fortgeschrieben. Es umfasst ein Finanzvolumen von zwei Milliarden Euro an städtischen Mitteln.
Doch die Stadt alleine könne den Wohnraummangel nicht beheben. Reiter: „Stadt, Land, Bund und private Investoren müssen hier zusammenarbeiten, um langfristige und nachhaltige Lösungen zu finden.“