Das Straucheln von Galeria Karstadt Kaufhof besorgt viele Städte. In Kaiserslautern führte der Karstadt-Niedergang 2010 zum Stadtumbau.

Es ist das Horrorszenario für viele Stadtlenker: das leerstehende Kaufhaus inmitten der Innenstadt. Nachdem der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof zuletzt angekündigt hatte, einige seiner Filialen zu schließen, bangen nun dutzende Städte um die Vitalität ihrer Zentren. Das Unternehmen betreibt laut eigener Webseite in rund 100 deutschen Städten Kaufhäuser. Die von möglichen Schließungen betroffenen Städte stehen vor großen Transformationsaufgaben. Wie in Kaiserslautern: Dort machte Karstadt bereits 2010 dicht. Es folgte eine städtebauliche Umwälzung. Das leerstehende Kaufhaus wurde zur Einkaufsmall. Das Beispiel kann Mut machen: Heute herrscht neues Leben am alten Karstadt-Standort. Aber es birgt auch die Erkenntnis: Stadtumbau braucht langen Atem. Nach mehr als einer Dekade ist er noch immer nicht ganz abgeschlossen. Und Handel mit Handel zu ersetzen, ist vielleicht nicht die nachhaltigste Lösung.

Karstadt in Kaiserslautern: Es drohte Ödnis

Wie in vielen Städten lag Karstadt in Kaiserslautern an markanter Stelle, exponiert im Zentrum. Nicht nur baulich prägte Karstadt das Stadtbild. Das Kaufhaus war auch Gradmesser für Publikumsströme in der Fußgängerzone. Wenn die regionale Zeitung etwa den Erfolg eines verkaufsoffenen Sonntags bilanzierte, zählte neben den Funktionären des Einzelhandelsverbands und der Gewerbevereine der lokale Karstadt-Chef zu den ersten Ansprechpartnern, die pars pro toto für den Kaiserslauterer Einzelhandel gefragt wurden. Karstadt war Frequenzbringer im Oberzentrum, Flaggschiff der Einkaufsstadt und ein nicht unbedeutender Arbeitgeber.

Doch als es im Karstadt-Konzern kriselte, war das Kaiserslauterer Haus mit einer Verkaufsfläche von rund 12.000 Quadratmetern eines der ersten, die der Entwicklung zum Opfer fielen. Im Frühjahr 2010 schloss es seine Türen. Es drohte Ödnis im Herzen der City. Die für den Städtebau wichtige Schlüsselimmobilie wurde zum Leerstand und zum unübersehbaren Symbol eines Abschwungs. Entsprechend emotional diskutierte die Lokalpolitik darüber, wie mit der Situation umzugehen sei.

Leerstehendes Karstadt-Gebäude in Kaiserslautern (Quelle: Andreas Erb)

Leerstehendes Karstadt-Gebäude in Kaiserslautern (Quelle: Andreas Erb)

„Enorme Chancen für die Attraktivierung der Innenstadt“

Die Diskussion zielte darauf ab, die „nachhaltige Funktionsfähigkeit und Attraktivität der Innenstadt sicherzustellen“, wie eine Sprecherin der Stadt auf #stadtvonmorgen-Nachfrage rückblickend erklärt. Der Stadtrat debattierte über eine tiefgreifende Neuordnung der City. Von nicht weniger als einer „Neuen Stadtmitte“ war die Rede. Es ging längst nicht nur um die Revitalisierung eines markant gelegenen, leerstehenden Gebäudes, sondern um die Neuordnung der Verkehrsströme, die Aufwertung des benachbarten „Burghügels“, also des historischen Kerns der Stadt, und um die attraktive Gestaltung der angrenzenden Plätze und Brunnen. „Es wurde erkannt, dass die vorhandenen Entwicklungspotenziale, insbesondere vor dem Hintergrund der Schließung des Karstadt-Warenhauses, enorme Chancen für die Attraktivierung der Innenstadt bieten“, resümiert die Stadtsprecherin.

Für den Umbau des Karstadt-Gebäudes trat erstaunlich schnell ein Investor auf den Plan. Der Mallbetreiber ECE wollte aus dem leeren Kaufhaus eine moderne Einkaufsgalerie machen. Gegen dessen Pläne regte sich allerdings massiver Widerstand aus der Stadtgesellschaft. Insbesondere Grundstücks- und Immobilieneigentümer sowie Einzelhändler fürchteten mit dem Mallbau und dem Einzug neuer Läden Marktverwerfungen, die sich für sie negativ auswirken könnten. Hinzu kamen stadtgestalterische Einwände gegen das neue Einkaufszentrum. Die Verabschiedung der Pläne für die Mall im Stadtrat 2011 war Ausgangspunkt kräftezehrender Debatten.

Bürgerinitiative mobilisiert gegen Mallpläne

Bürgerversammlung zum Mallbau in Kaiserslautern (Quelle: Andreas Erb)

Bürgerversammlung zum Mallbau in Kaiserslautern (Quelle: Andreas Erb)

Es formierte sich eine Bürgerinitiative gegen den Mallbau. Diese ließ sogar Gutachten anfertigen, legte alternative Planungsentwürfe vor und gab so zeitweise im öffentlichen Diskurs um die Einkaufsgalerie den Takt an. Zudem forcierte sie ein Bürgerbegehren. Das richtete sich formal gegen einen für den Mallbau wichtigen Grundstücksverkauf, wurde letztlich aber zum Votum über die geplante Stadtgalerie. Nach einer regelrechten Wahlkampfschlacht zwischen Mallbefürwortern und -gegnern sprachen sich am Ende zwei Drittel der Bürger für den Mallbau aus. Gleichwohl wurden den Mallplanern zuvor Kompromisse hinsichtlich der Größe des Baukörpers sowie eine Begrenzung der Verkaufsfläche auf 20.900 Quadratmeter abgerungen.

Nach dem Bürgerentscheid gaben benachbarte Immobilieneigentümer ihre Anstrengungen gegen die Mall jedoch nicht auf. Mit einem Normenkontrollverfahren griffen sie das Bebauungsplanverfahren an, um die Bebauungspläne für unwirksam erklären zu lassen. Erst im April 2013, nachdem das Oberverwaltungsgericht Koblenz die Normenkontrollanträge abgewiesen hatte, konnte mit dem Bau der Mall begonnen werden. Im März 2015 feierte die Einkaufsgalerie ihre Eröffnung. Für die Kaiserslauterner Stadtentwicklung ist es ein historischer Moment, denn er steht für eine Neugestaltung der gesamten Stadtmitte.

Neue Stadtmitte „nur in Phasen“ realisierbar

Allerdings: Die städtebauliche Neugestaltung im Umfeld der Einkaufsgalerie ist bis dato noch immer nicht gänzlich abgeschlossen. Nicht alle Straßenzüge und Plätze sind wie vorgesehen umgebaut und modernisiert. Das hänge mit der Komplexität des Vorhabens zusammen, das „einen intensiven politischen Entscheidungsprozess“ erfordere und „nur in Phasen entsprechend den Fördermittelbewilligungen umgesetzt werden“ könne, erklärt die Stadtverwaltung auf Nachfrage. Die Umsetzung der letzten Projektabschnitte für die „Neue Stadtmitte“ sei allerdings bereits angelegt.

Letztlich zeigt der Fall, wie intensiv im Zusammenhang mit urbaner Transformation in der Stadtgesellschaft um Entwicklungslinien gerungen werden kann. „Eine Lösung in der Stadtmitte kann immer nur unter Einbindung der Immobilienbesitzer, unter Beachtung von deren Rechtspositionen, gefunden werden“, sagt die Stadtsprecherin. Es gelte, die Interessen aller betroffenen Akteure einzubeziehen.

Die Mall in Kaiserslautern vor der Eröffnung (Quelle: Andreas Erb)

Die Mall in Kaiserslautern vor der Eröffnung (Quelle: Andreas Erb)

„Ein wichtiger Entwicklungsimpuls“ für die Stadtmitte

Zudem bleibt die Fußnote, dass sich die Nachhaltigkeit des Stadtumbaus in Kaiserslautern wohl erst in den nächsten Jahren erweist. Im ersten Moment hatte die Stadt das Glück, einen Investor zu finden, der sich der leerstehenden Immobilie widmet. Doch beim zweiten Hinsehen und mit zeitlicher Distanz wirft dessen Idee, den zugrunde gegangenen Einzelhandel am Standort durch neuen Einzelhandel zu ersetzen, die Frage nach einer Zukunftsvision auf. Schließlich spüren viele Zentren immer stärker den Wandel der Branche hin zu kleineren Ladenflächen und Onlineangeboten. Immer lauter plädieren Stadtexperten daher dafür, neue Nutzungen in die Innenstädte zu holen und Funktionen stärker zu durchmischen, um Leerständen entgegenzuwirken. Dies könnte zukünftig auch die Frage der baulichen Flexibilität an den Kaiserslauterer Mallbau stellen.

Die Ansiedlung der Einkaufsgalerie in der Innenstadt, „wo Einkaufsmöglichkeiten tatsächlich auch hingehören und nicht auf die grüne Wiese oder in Randlage“, sei mit Blick auf die Transformation des leerstehenden Kaufhauses „zum gegebenen Zeitpunkt“ nicht nur „alternativlos“, sondern auch „politisch und gesellschaftlich mehrheitlich gewünscht“ gewesen, heißt es dazu heute von der Stadt. „Eine Ablehnung der vorgeschlagenen Entwicklung wäre sicherlich mit einem längeren Leerstand des Karstadt-Gebäudes verbunden gewesen.“ Damit wäre auch „ein wichtiger Entwicklungsimpuls“ für die Stadtmitte ausgeblieben. Ohnehin gilt für die Stadtentwicklung im Allgemeinen in Abwandlung einer Sepp-Herberger-Fußballweisheit: Nach der Transformation ist vor der Transformation.

a.erb@stadtvonmorgen.de

Aktuelle Beiträge