Immer häufiger und heftiger treten Starkregenereignisse auf. In Städten führen sie zu verheerenden Schäden. Was dagegen tun?

Extreme Regenereignisse führen vermehrt zu Katastrophen in deutschen Städten. Aktuell ist der Südwesten der Republik betroffen: In manchen Orten kommt es zu regelrechten Überschwemmungen, Menschen werden vermisst, es gibt Todesopfer. Dabei ist trotz der breiten Debatte um den Klimawandel und eine nötige Klimaanpassung von Städten das Bewusstsein für die Gefahr extremer Wetterereignisse bislang noch zu gering ausgeprägt – bei den Bürgern, aber teils auch in der Lokalpolitik.

„Jahrtausendregen“ 2008 in Dortmund

Straßen, die sich durch den Dauerregen in reißende Flüsse verwandeln. Fahrzeuge, die weggespült, und Wohnhäuser, die geflutet werden. Der Verkehr kommt zum Erliegen, ganze Landstriche stehen unter Wasser, Einsatzkräfte retten Menschen aus dem Strom, der die Stadt überschwemmt. Bilder aus einem Katastrophengebiet, wie sie derzeit bundesweit in vielen Orten und Städten zu sehen sind.

So geschehen auch 2008 in Dortmund. Rückblick: Christian Falk erinnert sich an das Starkregenereignis, das man als „Jahrtausendregen“ kategorisiert, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Regen eintritt, laut Statistik nur ein Mal in 1.000 Jahren ist. In zwei Stunden prasselte so viel Regen nieder, wie in Dortmund sonst in drei Monaten gemessen wird. „Geprägt durch das Jahrtausendereignis, setzen wir uns in Dortmund intensiv mit den Themen Starkregen und Siedlungsentwässerung auseinander, vielleicht intensiver als anderswo“, sagt Falk, Leiter der Stadtentwässerung.

Extreme Wetterereignisse als unterschätzte Gefahr

Immer wieder und immer stärker treten in der Republik verheerende Starkregenereignisse wie dieses auf. Die Ereignisse nehmen an Intensität und Häufigkeit zwar merklich zu. Dennoch werde das zerstörerische Potential solcher Wetterlagen vielerorts noch immer unterschätzt, bisweilen auch von der Lokalpolitik, meint Theo Schmitt. Der Professor ist Leiter des Fachgebiets Siedlungswasserwirtschaft an der Technischen Universität Kaiserslautern.

In Kommunen finde sich nicht selten die falsche Einschätzung, mit dem Kanalbau habe sich die Gefahr von Überschwemmungen durch Starkregen für die Bürger erledigt. Dies sei aber keineswegs der Fall. Denn die Kanalisationen seien meist nach Standards ausgerichtet, die die Dimensionen derartiger Extreme nicht erfassten. Und weil außerdem dafür in der breiten Öffentlichkeit ein zu geringes Problembewusstsein herrsche, seien viele Hausbesitzer zu selten auf Starkregenereignisse vorbereitet.

Eigentümer müssten ihre Verantwortung für den Schutz ihrer Immobilie wahrnehmen. Zu nachlässig sei in jüngerer Zeit mit dem Thema Starkregen umgegangen worden. Dies betreffe fehlende Schutzvorrichtungen an Häusern sowie architektonische Planungen. Schmitt fordert aber auch: „Kommunalverantwortliche müssen sich mit dem Thema beschäftigen.“ Dazu gehöre, dass mögliche Starkregenereignisse in der Stadtplanung vorsorglich eine stärkere Berücksichtigung fänden.

Starkregen: Zielkonflikte in der Stadtplanung

Dort sieht Schmitt Zielkonflikte, die das Thema Starkregen oft überlagerten. Etwa seien in neuerer Zeit Straßen und Fußgängerzonen vielerorts ebenerdig entworfen oder umgebaut worden. Zwar habe das Ziel der Barrierefreiheit seine Berechtigung. „So verliert aber die Straße zugleich an ihrer Pufferwirkung und Speichervermögen“, erklärt der Wissenschaftler. „Wenn der Bordstein als Barriere fehlt, fehlt er auch als Schutz vor eindringendem Wasser.“

Einen ähnlichen Zielkonflikt mit dem Starkregenschutz sieht er in der Maxime des flächensparenden Bauens in urbanen Zentren. Die Verdichtung in Innenstädten führe zu einem höheren Versiegelungsgrad und einer Abnahme von Freiflächen. So verschwänden Pufferräume oder Versickerungszone für den Fall, dass zu große Wassermassen einmal nicht von der Kanalisation aufgenommen werden könnten.

Risikovorsorge: Blaue und grüne Infrastrukturen in der Stadt

Schmitt plädiert für ein Verständnis von Siedlungsentwässerung, das Starkregenereignisse berücksichtigt. Die Risikovorsorge sei auch eine Frage der Resilienz einer Stadt. In der Vergangenheit habe man stark die unterirdische Kanalisation fokussiert. Die jüngeren Ereignisse zeigten allerdings, dass diese oft nicht ausreiche, um extrem große Wassermengen zu bewältigen. Ergänzend zur Ableitung des Wassers in unterirdische Kanäle mit begrenzter Kapazität, sei es also sinnvoll, zu deren Entlastung oberirdische „Blue- und Green-Infrastrukturen“ zu fördern.

Damit meint Schmitt naturnahe Landstriche im Stadtraum. Die Idee: Kleine Gewässer leiten Regenmengen ab; und Grünanlagen, auch auf Dächern, nehmen Wasser auf und tragen zu dessen Versickern oder Verdunsten bei. Zudem beschreibt Schmitt das Konzept multifunktionaler Retentionsräume, also von Flächen wie Parks, Sport- oder Spielplätzen, die so angelegt sind, dass sie bei extremem Regen regelrecht zum See werden und auf diese Weise vorübergehend Wassermassen speichern, um Siedlungen davor zu schützen.

Klimaanpassung und Stadtgestaltung: „Klima-Inseln“ in Dortmund

Einer der neuesten Ansätze dieser Art findet sich in Dortmund. Dort werden „Klima-Inseln“ realisiert. Mit diesen Klima-Inseln möchte man oberirdische Entwässerungssysteme aktivieren und den natürlichen Wasserhaushalt stärken. Rund 1,3 Millionen Euro werden für das Vorhaben aufgewendet, das Land Nordrhein-Westfalen trägt davon rund 1,1 Millionen Euro. Als Pilotprojekt entstehen zunächst vier solcher Klima-Inseln, die jeweils eine Fläche von mindestens 100 Quadratmetern umfassen.

Bei den Klima-Inseln handelt es sich um Grünbereiche, in die Regenwasser zur Versickerung und zur Verdunstung geleitet wird, auch bei schwächeren Niederschlägen. Bei Starkregen ergibt sich hier ein zusätzliches Rückhaltevolumen. Die Klima-Inseln erhöhen aber nicht nur die Widerstandsfähigkeit des Dortmunder Stadtgebiets gegenüber Starkregen, sondern haben auch noch weitere Funktionen. Sie leisten einen Beitrag zur grünen Infrastruktur der Stadt.

Sie revitalisieren Brachflächen und sind Elemente einer naturnahen Stadtgestaltung. Zudem haben sie einen positiven Effekt auf das Kleinklima. Die Entwässerungsgräben senken in heißen Sommermonaten durch die Verdunstungskühle die Temperatur. Es geht um die Lebensqualität in der Stadt in Verbindung mit Klimaanpassung und Risikovorsorge im Sinne urbaner Resilienz.

Die Grenzen des Sponge-City-Konzepts

In Fachkreisen kursierte zuletzt die Idee einer Sponge City, einer Schwammstadt. Die Sponge City meint eine naturnahe Gestaltung des urbanen Raums, die dazu führt, dass die Stadt wie ein Schwamm Wasser aufnimmt und abgibt. Auch dies soll unter anderem der Klimaanpassung dienen. Aus Sicht des Starkregenschutzes sei dieses Konzept allerdings nur bedingt hilfreich, sagt Schmitt.

Der Wissenschaftler erinnert an ein Starkregenereignis in Kaiserslautern. Dabei flossen im Juni 2018 (Foto oben) in kurzer Zeit Wassermassen in einer Tallage zusammen, verwandelten dort Straßen in Bäche und rissen Autos mit. „Bei derartigen Ereignissen ist es schlecht vorstellbar, wie sich die Stadt nun wie ein Schwamm vollsaugen soll, um wenige Tage später das Wasser wieder abzugeben, als sei nichts geschehen.“ Dieses Beispiel zeige, dass, wenn es um die Beherrschung von Wetterextremen gehe, gezielt Vorsorge betrieben werden müsse und allgemeine Konzepte wie die Sponge-City-Idee an Grenzen stießen.

Starkregen: Systematische Risikoanalyse in Leipzig

Auch Falk räumt ein, dass ein umfassender Schutz vor Starkregen nicht für jeden und jedes Grundstück möglich sei. Im Zusammenhang mit den aktuellen Unwettern ist die Stadt Dortmund abermals massiv und mit historischem Ausmaß vom Starkregen betroffen. Gerade in die historisch gewachsene, dichte Bebauung der Innenstädte gestalterisch einzugreifen, sei schwierig und langwierig, erklärt Falk. Ein erster Schritt zur Verbesserung des Schutzes müsse also eine Analyse des Gefährdungspotentials sein. An dieser Informationsgrundlage ließen sich dann mögliche Maßnahmen der Stadtgestaltung, aber auch die individuelle Vorsorge von Grundstücks- und Immobilienbesitzern ausrichten.

Eine solche Gefährdungskarte legt Leipzig vor. Den Anlass dafür geben ebenfalls schwere Unwetter. Die örtlichen Wasserwerke koordinieren das Projekt zusammen mit diversen Verwaltungsstellen, fachlich begleitet von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig und dem dortigen Institut für Wasserbau und Siedlungswasserwirtschaft.

Es gehe um eine Einschätzung des Risikos und dessen Management, erklärt Wasserwerke-Sprecherin Katja Gläß. Für die Bestandsaufnahme sammle man Daten wie Niederschlagsmessungen, Flächenversiegelungen, Schadensfälle bei Starkregen, dabei registrierte Feuerwehreinsätze oder Versicherungsfälle im Stadtgebiet. Auf dieser Basis soll eine Modellierung zeigen, wo potentielle Gefahrenschwerpunkte liegen, wo kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser bedroht sein könnten und wie diese Stellen entschärft werden können.

Vorsorge: Dreiklang aus Kommune, Abwasserentsorger, Bürgern

Die Erkenntnisse sollen in der Stadtplanung und im Städtebau die Sensibilität für die Regenwasserbewirtschaftung und Starkregenprävention erhöhen, erklärt Michael Jana, Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamts. Besonders modellhaft ist dabei der Test von Baumrigolen bei einer Straßenbaumaßnahme. Dabei wird unter dem Wurzelwerk von Stadtbäumen eine Art unterirdisches Becken angelegt, das Regenwasser sammeln, die Bäume kontinuierlich damit versorgen und zur Verdunstung beitragen sowie an Starkregentagen als zusätzliches Stauvolumen dienen soll.

Dass Leipzig eine besonders dynamisch wachsende Stadt sei, mache es in den bebauten Lagen nicht einfacher, Freiräume für solche Vorhaben zu schaffen, meint Gläß. Allerdings bestehe dadurch auch die besondere Chance, bei der Erschließung neuer Quartiere das Thema Starkregen vorausschauend mitzudenken. In neuen Vierteln wolle man gar dezentrale und naturnahe Entwässerungssysteme so gestalten, dass das Regenwasser überhaupt nicht mehr in die Kanalisation gelange.

„Es muss allen bewusst sein, dass es eine 100-prozentige Sicherheit vor Starkregen als Naturgewalt nicht geben kann“, sagt Gläß. „Es besteht jedoch die Möglichkeit, sich auf eventuelle Extremwetterereignisse vorzubereiten und so Schäden einzudämmen. Auch dabei muss allen bewusst sein: Dies gelingt nur im Dreiklang aus Kommune, Abwasserentsorger und den Bürgern.“

Der Artikel stammt aus dem Jahr 2018 und ist in der Printausgabe der OBM-Zeitung erschienen (Ausgabe 3/2018). Aus aktuellem Anlass stellt die Redaktion den Beitrag in leicht überarbeiteter und aktualisierter Version online zur Verfügung.

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