Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt bei Investitionen und Geldanlagen sowie im unternehmerischen Handeln an Bedeutung. Dafür steht der Begriff „ESG“ (Enviromental, Social, Governance): Gemeint ist damit nachhaltigkeitsbezogene Verantwortung für die Bereiche der Ökologie, des Sozialen und der Unternehmensführung. Die immer stärkere Gewichtung sogenannter ESG-Kriterien bei Anlagen hat auch Effekte auf städtebauliche Projekte. Und Kommunen, die ihre Stadtstrategie nachhaltig ausrichten, können das allgemeine Streben nach ESG für ihre Ziele nutzen.
ESG: Stellschrauben für nachhaltige Quartiersentwicklung
Simon Hübner, Vorstandsmitglied beim Projektentwickler GBI und dort für Wohnungsbau zuständig, erkennt eine „tiefgreifende Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung“. Das Streben nach Nachhaltigkeit gewinne an vielen Stellen der Gesellschaft an Bedeutung – eben auch in Unternehmen und bei Geldanlagen, erklärt er. Davon betroffen sei nicht zuletzt die Immobilienwirtschaft: Aspekte der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit werden bei Bauprojekten zu immer wichtigeren Kriterien für Investoren.
Kommunen, die ihre urbanen Entwicklungsstrategien nachhaltig ausrichten, könnten sich dies also städtebaulich zunutze machen, meint Hübner. Denn wenn zum einen Geldgeber derartige Anlagethemen suchen und zum anderen Städte entsprechende Bauprojekte forcieren, kämen Projektentwickler nicht umhin, diesen Zielen folgen. Dabei gebe es „unzählige Möglichkeiten und Stellschrauben im Rahmen der Quartiersentwicklung von Kommunen, um dem Thema ESG entgegenzukommen“, sagt Hübner.
Klimaarbeit und sozialräumliche Planung im ESG-Kontext
Beispielsweise könnten Kommunen, korrespondierend mit ihren eigenen Klimazielen, ihre Bebauungspläne danach ausrichten und darin bauliche Anforderungen an Gebäude unter Nachhaltigkeitskriterien – etwa die Holzbauweise (Foto oben) – verankern. Ebenso könnten Kommunen Nachhaltigkeitsstandards für Quartiere setzen, was die Energieversorgung oder die Mobilität betrifft. Gestaltungskraft entfalteten in diesem Zusammenhang auch lokale Stadtwerke, die als wesentliche Akteure der Energie- und der Verkehrswende die diesbezügliche Infrastruktur vor Ort gestalten.
Darüber hinaus könnten Kommunen ihre sozialräumliche Planung in den Zusammenhang mit ESG-Kriterien rücken und dadurch entsprechende Investitionsanreize setzen. Dabei geht es um soziale Nachhaltigkeit: Hübner denkt etwa an Projekte im Bereich des geförderten Wohnens. Angesichts des demografischen Wandels und damit einhergehender sozialer Fragen gewännen außerdem Konzepte für Seniorenwohnen an Bedeutung.
Wirtschaftliche Umsetzbarkeit grundlegende Voraussetzung
„Es ist allerdings wichtig, realistisch zu bleiben“, sagt Hübner. Es sei für die Stadtentwicklung strategisch wichtig, in Bebauungsplänen oder Satzungen Vorgaben zu machen und Anreize zu setzen. Allerdings sei nicht alles, was städtebaulich möglich und wünschenswert ist, auch wirtschaftlich umsetzbar. Man dürfe bei der konkreten Projektumsetzung im Sinne des Umweltschutzes die Wirtschaftlichkeit nicht außer Acht lassen. Ansonsten könne das Investitionen und damit Realisierungschancen hemmen. Die nachhaltige Entwicklung einer Stadt bleibe dann aus.
Hübner gibt ein Beispiel: Wenn Bauten, die dem geförderten Wohnen gewidmet sind, durch Architektenwettbewerbe verteuert und verzögert werden, passe das eine mit dem anderen nicht zusammen. Denn wolle man „bezahlbares Wohnen“ fördern und schaffen, dann hätten doch gerade Schnelligkeit und Effizienz in Kostenstrukturen eine hohe Priorität.
Stellplatzsatzung: Beispiel für kommunalen Handlungsspielraum

Simon Hübner (Quelle: GBI Holding/Glasgow Fotografie)
Der erhebliche Gestaltungsspielraum von Kommunen bei der städtebaulichen Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen zeige sich zudem am Beispiel von Stellplatzsatzungen. Oftmals machten die Stellplatzschlüssel von mindestens einem Parkplatz, bisweilen anderthalb Parkplätzen pro Wohneinheit die Realisierung geförderten Wohnraums für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen unwirtschaftlich. Denn die Anforderung, entsprechenden Parkraum zu schaffen, verteuere die Bauten unverhältnismäßig.
Schließlich verfügten gerade Teile der Zielgruppe, an die sich die Wohnraumförderung richtet, oftmals nicht über ein eigenes Automobil. Insofern treibe der Bau von – nachher sogar ungenutzten – Stellflächen etwa in Tiefgaragen die Kosten für derartige Vorhaben in die Höhe und stehe damit ihrer Wirtschaftlichkeit im Wege. Gleichzeitig widerspreche ein zugunsten des Automobils allzu großzügiger Stellplatzschlüssel wichtigen Klimazielen.
Hübner rät also Kommunen, ihre Stellplatzsatzung als Steuerungsinstrument bewusst einzusetzen und auszudifferenzieren. Etwa nehme die Stadt Bayreuth im Bereich des geförderten Wohnungsbaus einen speziellen Stellplatzschlüssel von 0,5 an. Genauso sei es denkbar, im Bereich des seniorengerechten Wohnens den Stellplatzschlüssel an die Zielgruppe der älteren Menschen anzupassen.