Die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart hat eine Neuausrichtung ihrer Bodenpolitik beschlossen. Darüber hat der Gemeinderat Mitte Februar entschieden. Auf diese Weise will die Stadt zur Entspannung des lokalen Wohnraummarktes beitragen, mehr Flächen für den Wohnungsbau sichern und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum fördern. Als ein wesentliches Instrument, um mehr bodenpolitischen Einfluss ausüben zu können, setzt sie auf neue Konditionen bei der Vergabe von Erbbaurechten sowie auf An-, Vor- und Wiederkaufsrechte bei der Grundstücksvergabe.
Neue Bodenpolitik soll Flächen sichern
„Wir wollen aktiver, bezahlbarer und nachhaltiger sein“, erklärt Oberbürgermeister Frank Nopper den boden- und wohnraumpolitischen Vorstoß. „Aktiver, was den Flächenerwerb anbelangt; bezahlbarer, was den Wohnraum anbelangt; und nachhaltiger, was den städtischen Zugriff auf die Grundstücke anbelangt.“
Demnach will sich die Stadt aktiver in den Grundstücksmarkt einbringen, um sich strategisch bedeutsame Flächen für die städtebaulich Entwicklung auch vorausschauend zu sichern. Dies betrifft bebaute und unbebaute Areale.
Quoten für Wohnbebauung städtischer Gelände
Hinsichtlich des Ziels, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, legt die Stadt auf ihren Flächen zukünftig Quoten für den Wohnungsbau fest. Die müssen bei der Geländevergabe vertraglich fixiert werden. „Wenn nicht gegengesteuert wird, geht der Bestand an Sozialmietwohnungen und von Belegungsrechten in den kommenden Jahren durch auslaufende Bindungen sukzessive zurück“, so Nopper. In den vergangenen 20 Jahren seien in Stuttgart nur wenige Sozialmietwohnungen gebaut und nur wenige Belegungsrechte neu vereinbart worden.
Für jedes Areal soll ein individueller Nutzungsmix gelten, erklärt Nopper. Der Mix zielt auf den Erhalt der sozialen Balance und die Durchmischung der Quartiere ab. Grundsätzlich soll der soziale Mietwohnungsbau etwa die Hälfte der Nutzung ausmachen, der Mietwohnungsbau für mittlere Einkommensschichten bis zu 25 Prozent, der preisgedämpfte Mietwohnungsbau, der Wohnungsbau für die Berechtigten des kommunalen Eigentumsförderungsprogramms sowie der frei finanzierte Wohnungsbau jeweils bis zu 15 Prozent.
Erbbaurecht als Steuerungsinstrument
Bei der Grundstücksvergabe priorisiert die Stadt das Erbbaurecht. Auf diese Weise bleibt ihr Zugriff auf die Gelände langfristig erhalten. Um das Erbbraurecht zu begünstigen, gestaltet sie entsprechende Konditionen nun attraktiver. So hat der Gemeinderat unter anderem eine Senkung des Erbbauzinses auf zwei Prozent des Bodenwerts bei Wohnnutzung und auf 3,5 Prozent des Bodenwerts bei gewerblicher Nutzung beschlossen.
Zudem erhöht sich der Beleihungsrahmen von 70 Prozent auf bis zu 100 Prozent des Werts des Erbbaurechts. Dies stärkt für Investoren die Akzeptanz des Erbbaurechts als Beleihungsobjekt gegenüber Banken und Kreditgebern. Darüber hinaus hat der Gemeinderat die Entschädigung bei Heimfall oder Zeitablauf des Erbbaurechts nun auf 100 Prozent des sich auf dem Grundstück befindenden Bauwerks festgelegt. Zudem hat er die Laufzeit verlängert. Im Falle des Wohnungsbaus wird das Erbbaurecht zukünftig für 100 Jahre vergeben, bei sozialen Zwecken für bis zu 100 Jahre und mit anderer Zweckbestimmung für bis zu 50 Jahre.
An-, Vor- und Wiederkaufsrechte als Alternative
Dort, wo sich das Erbbaurecht als nicht praktikabel oder als die Standortentwicklung hemmend erweist, setzt die Stadt auf An-, Vor- und Wiederkaufsrechte bei der Grundstücksvergabe. So will sie ihre Interessen und Möglichkeiten des Zugriffs auf die Areale in Vertragsmodellen, die mit dem Erbbrauchrecht vergleichbar sind, wahren. Der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft, Baugenossenschaften sowie ihren Partnern im sogenannten Bündnis für Wohnen, die sich gemeinsam für die Wohnraumentwicklung der Stadt engagieren, überlässt die Kommune bei der Grundstücksvergabe grundsätzlich die Wahl zwischen Erbbaurecht und Erwerb.
„Sowohl im Falle des Verkaufs als auch im Falle des Erbbaurechts werden die Wohnbauinteressen der Stadt durch Wiedererlangungsrechte abgesichert“, erklärt Nopper. „Die Nutzung von städtischen Flächen durch Haushalte mit geringerem und mittlerem Einkommen erfolgt nach festgelegten Quoten – sowohl nach der Begründung eines Erbbaurechts als auch nach einem Verkauf.“ Mit der Einführung des „preisgedämpften Mietwohnungsbaus“ deckelt die Stadt außerdem die Mieten im freien Wohnungsbau auf ihren Geländen. Die Mieten für Wohnungen, die in dieses Segment fallen, dürfen die Grenze von 90 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht überschreiten.