„Wir schaffen das“ – so schwor die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise 2015 die Deutschen darauf ein, die Lage zu meistern. „Wir schaffen das“ – so vermittelte gestern auch Belit Onay bei der 21. Städteversammlung des Niedersächsischen Städtetags in Hannover den Optimismus, dass die Städte die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen aus der Ukraine stemmen. Aber der Oberbürgermeister von Hannover mahnte auch: Der Satz „Wir schaffen das“ dürfe nicht zu einem „Die Kommunen schaffen das schon“ werden. Nicht zuletzt bei der Finanzierung der Integrationsaufgaben bedürfe es eines „Schulterschlusses“ der Kommunen mit Land und Bund.
Ukrainekrieg prägt Städteversammlung
Der Krieg in der Ukraine bestimmt im Augenblick das Geschehen in deutschen Kommunen: Sie zeigen Solidarität mit der Ukraine, organisieren Hilfskonvois und planen die Flüchtlingsaufnahme. Entsprechend prägte das Thema gestern die Städteversammlung, die hybrid stattfand. Sie begann mit einer Schweigeminute, die die Solidarität der niedersächsischen Städte mit der Ukraine und den Opfern des Kriegs zum Ausdruck brachte.
Städtetagpräsident Frank Klingebiel, Oberbürgermeister von Salzgitter, forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu auf, „Blutvergießen auf ukrainischem Boden und Eroberungsgrößenwahn“ unverzüglich zu beenden. Zudem brachte er seine Sorge um einen Dritten Weltkrieg zum Ausdruck.
Neue Herausforderungen für die Stadtgesellschaft
Im Zusammenhang mit der Ankunft ukrainischer Flüchtlinge spielen sich derzeit in den Städten dramatische Szenen ab: Onay berichtet von Flüchtlingen, meist Frauen und Kindern, die teils Märsche von über 60 Stunden hinter sich hätten, regelrecht um ihr Leben gelaufen wären, und nun von den Strapazen gezeichnet am Bahnhof in Hannover ankämen.
Dabei dürfe es nicht um die Frage nach Kapazitäten gehen. „Es geht um die Menschen, die hier ankommen“, sagt Onay. Daraus ergäben sich neue Herausforderungen für die Stadtgesellschaft. Die humanitäre Hilfe und die Integration der Menschen aus der Ukraine „wird für uns auf der kommunalen Ebene eine große Herausforderung in den nächsten Monaten und – wenn man sich die Bilder aus der Ukraine ansieht – in den nächsten Jahren“.
Zusätzliche Aufgaben im „Jahrzehnt der Transformation“
Diese neuen Aufgaben kämen zu den bestehenden hinzu. „Dieses Jahrzehnt wird das Jahrzehnt der Transformation“, so Onay hinsichtlich der Digitalisierung, des Umbaus der Innenstädte, des Kampfs gegen den Klimawandel, der Energie- oder der Verkehrswende. Die Umsetzung vieler Maßnahmen finde auf der kommunalen Ebene statt. Die Städte seien „Maschinenraum“ der Transformation, wo die Entscheidungen über Gelingen und Scheitern fielen.
Daher müssten Bund und Land den Kommunen beistehen, fordert Klingebiel eine „faire Lastenverteilung zwischen den Ebenen“. Angesichts der mannigfaltigen Aufgaben müssten auch Standards hinterfragt werden. Exemplarisch weist Klingebiel im Zusammenhang mit den aus der Ukraine ankommenden Menschen auf Gruppengröße und Betreuungsschlüssel in Kitas und Schulen hin, die zu flexibilisieren seien. Es bedürfe an vielen Stellen schneller, pragmatischer und unkomplizierter Lösungen, um gesellschaftliche Teilhabe und Integration zu gewährleisten.
Klingebiel mit Forderungen an Land und Bund
„Wir erwarten, dass Land und Bund uns dabei nicht alleine lassen.“ Das bedeute auch finanzielles Engagement: „Wir benötigen viel Geld für die Teilhabe und Integration der ukrainischen Flüchtlinge.“ Darüber hinaus formulierte Klingebiel gestern die Forderungen des Verbands etwa hinsichtlich der Bewältigung der Coronakrise, des Klimaschutzes, der Städtebauförderung, des Bildungs- und Betreuungswesens oder der Krankenhausfinanzierung sowie der gesundheitlichen Daseinsvorsorge.
Ministerpräsident Stephan Weil betonte daraufhin die Rolle der Kommunen beispielsweise bei der Bewältigung der Coronapandemie: Es habe bis dato „vielleicht nicht eine Phase gegeben, in der Land und Kommunen so eng zusammengearbeitet haben“, so Weil. „Kommunen sind das Fundament der politischen Ordnung.“ Entsprechend forciere die Landesregierung die Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene in besonderem Maß.