Ein Jahr Vorsprung bei der Wärmewende

Das Tempo ist rekordverdächtig: Ein Jahr früher als vom Gesetzgeber vorgeschrieben hat der Rat der Bundesstadt Bonn den ersten Wärmeplan beschlossen. Eigentlich hätte sich die Stadt mit mehr als 340.000 Einwohnern noch bis zum 30. Juni 2026 Zeit mit der Wärmeplanung lassen können. Doch bereits jetzt liegt ein ganzer Maßnahmenkatalog auf dem Tisch, mit dem die Stadt wegkommen will von fossilen Energieträgern in den Heizungskellern.Selbstverständlich ist das nicht: Bund und Länder unterstützen die Kommunen bei der Wärmeplanung mit Fördergeldern. Aber viele Städte und Gemeinden tun sich dennoch schwer mit der Planung, auch weil es an Personal fehlt.Typische Hürden bei der WärmeplanungIn Bonn hatten die Planer mit Herausforderungen zu kämpfen, die typisch sind für viele andere Städte und Gemeinden in Deutschland. So ist der Bonner Gebäudebestand überwiegend in einem energetisch sanierungsbedürftigen Zustand: Rund neun von zehn Gebäuden sind unsaniert oder nur teilsaniert. 13 Prozent der Bonner Gebäude haben die schlechteste Energieeffizienzklasse H und benötigen wegen ihres geringen Dämmstandards insgesamt etwa 30 Prozent des Bonner Wärmebedarfs. Insgesamt nutzen nach Angaben der Stadt 92 Prozent der Bonner Bestandsgebäude aktuell noch Gas- oder Ölheizungen.Umso ambitionierter sind die Ziele: Insgesamt soll der Wärmebedarf für Heizung, Warmwasser und Prozesswärme um mehr als ein Viertel sinken. 175 Teilgebiete der Stadt hat der Verteilnetzbetreiber Bonn-Netz mit weiteren Dienstleistern unter die Lupe genommen, um zu klären, wo künftig Wärmepumpen eingesetzt werden sollen und wo ein Nah- oder Fernwärmenetz das Mittel der Wahl ist.Ambitionierte Ziele sorgen für TempoVon der nicht ganz einfachen Ausgangslage haben sich die Bonner Planer nicht ausbremsen lassen, wie Robert Janßen-Morof, der zuständige Klimaschutzkoordinator, berichtet. Neben Fördermitteln aus der Nationalen Klimaschutzinitiative hätten vor allem die ambitionierten Klimaziele der Stadt für ordentlich Tempo bei der Erarbeitung der Wärmeplanung geführt, erläutert er.2023 wurde der Bonner Klimaplan beschlossen, der die Strategie und die Maßnahmen zur Erreichung des Klimaneutralitätsziels 2035 beschreibt. Auf dieser Grundlage habe die Stadt die Wärmeplanung frühzeitig personell unterlegt. Im Ergebnis war man dann sogar schneller als Bund und Land. Während in den jeweiligen Ministerien noch an den Wärmeplanungsgesetzen geschraubt wurde, hatten die Bonner bereits mit ihrer Planung begonnen. Ein weiterer Erfolgsfaktor aus Sicht von Janßen-Morof: Die Stadt arbeitete sehr eng mit den Stadtwerken Bonn (SWB) zusammen, etwa beim Zugang zu Verbrauchsdaten.Gemeinsam an die Wärmeplanung rangehenUnd auch sonst hat die Stadt bei der Wärmeplanung von Anfang an alle relevanten Akteure an einen Tisch geholt: Innerhalb der Verwaltung waren das Stadtplanungsamt, das Amt für Bodenmanagement und Geoinformation, das Tiefbauamt, das Umweltamt, das Städtische Gebäudemanagement, das Amt für Wirtschaftsförderung und die Stabsstelle für Bürgerbeteiligung eingebunden. Man habe aber auch über den Tellerrand hinausgeschaut und sich mit Kollegen aus anderen Kommunen ausgetauscht.Die Federführung und das Projektmanagement lag beim Programmbüro Klimaneutrales Bonn 2035. Die Stadt hat es mit dem Beschluss des Klimaplans als Monitoring- und Steuerungseinheit aufgebaut. Mit ihm wurden ämterübergreifende Strukturen wie Projektgruppen und ein Lenkungsausschuss etabliert. Digitale Tools und ein direkter, kollegialer Austausch hätten effiziente Abstimmungen überhaupt erst ermöglicht. Zentral für eine Wärmeplanung ist nach Überzeugung von Janßen-Morof die Beteiligung der Bürger und der lokalen Wirtschaft. Großverbraucher hat das Projektteam direkt kontaktiert, die breite Öffentlichkeit wurde über die städtische Beteiligungsplattform www.bonn-macht-mit.de ins Boot geholt.Bundespolitische Debatten als StörfaktorDie Bundespolitik hat es der Stadt Bonn dabei nicht immer leicht gemacht. Hitzige Debatten über „Habecks Heizhammer“, wie die Boulevardpresse die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) abschätzig nannte, hätten für große Unsicherheit bei den Verbrauchern gesorgt „Zentrale Kommunikationsaufgabe war daher von Anfang an, die Befürchtung zusätzlicher Pflichten für Gebäudeeigentümer durch den Wärmeplan zu entkräften“, sagt Janßen-Morof.Was war rückblickend die größte Herausforderung bei der Wärmeplanung? Der städtische Klimaschutzkoordinator muss nicht lange überlegen: „Die Bereitstellung kommunaler Ressourcen für die Umsetzung des Wärmeplans. Fördermittel von EU, Bund und Land helfen nur, wenn ausreichend personelle Kapazitäten vorhanden sind“, gibt er zu bedenken.Flächen nur begrenzt vorhandenEin weiterer kritischer Punkt seien die im urbanen Raum begrenzten Flächen für Erzeugungsanlagen, Speicher und Netze. Hier die Anforderungen im Zuge der Wärmewende mit den Belangen von Umwelt- und Naturschutz beziehungsweise Wohnungsbau unter einen Hut zu bekommen, sei zentral für den Erfolg der Energiewende.Bei aller Freude über den im Rekordtempo erarbeiteten Wärmeplan räumt Janßen-Morof ein, dass die Planung mit mehr Zeit für Datenakquise, aber auch Potenzial und Sensitivitätsanalysen sicher an Qualität hätte gewinnen können. „Gleichzeitig war ein früher Abschluss des initialen Wärmeplans aber entscheidend.“ Denn Versorger, Wirtschaft und Gebäudeeigentümer hätten auf den Wärmeplan gewartet, um Investitionsentscheidungen zu treffen.Die Bürger mit ins Boot holenAusruhen will sich die Stadt auf dem vorzeitig fertiggestellten Wärmeplan nicht – im Gegenteil. In acht Stadtteilen möchte sie interessierte Bürger über die geplanten Maßnahmen und Konsequenzen informieren und individuelle Beratung anbieten.Kommunen, die erst jetzt mit der Wärmeplanung beginnen, rät Janßen-Morof, das Stadtwerk sowie andere relevante Versorger frühzeitig und verbindlich in den Prozess einzubinden. „Die Erwartungen, dass der Wärmeplan beantwortet, wo Wärmenetze entstehen und langfristig zu CO2-Einsparungen beiträgt, lassen sich erst dann erfüllen, wenn Versorger für den Aufbau von Anlagen und Netzen auch zeitlich verbindliche Zusagen machen“, betont er.

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