Wärme zum Anfassen

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Er ist 24 Meter hoch, hat eine 40 Zentimeter starke Dämmung und hat die Energiewende in Hennigsdorf, einer Kleinstadt in der Nähe von Berlin, einen großen Schritt nach vorne gebracht: Die Rede ist von dem Multifunktionsspeicher, den die Stadtwerke Hennigsdorf Anfang des vergangenen Jahres in Betrieb genommen haben. Der Stahlkoloss soll dabei helfen, eine flexible Wärmeversorgung zu ermöglichen, die sich auf Bedarf, Wetter und Marktlage einstellen kann. Das Besondere: Die Stadtwerke haben bei der Finanzierung auf das Engagement der Bürger gesetzt und so unter Beweis gestellt, dass Klimaschutz und Rendite kein Widerspruch sein müssen.

Bereits seit 2001 verfolgt das kommunale Unternehmen das Ziel, fossile Energien Schritt für Schritt zu ersetzen. Damals brachten die Stadtwerke eine solarthermische Anlage an den Start, 2009 folgte ein Biomasse-Heizkraftwerk, zwei Jahre später kam ein Bioerdgas-Blockheizkraftwerk hinzu. 2016 begann dann das Projekt Wärmedrehscheibe, dessen Herzstück der Wärmespeicher ist. Der „Multifunktionsspeicher“ fügt sich perfekt in die Dekarbonisierungsstrategie der Stadtwerke ein: Das kommunale Unternehmen belädt den mit Wasser gefüllten Multifunktionsspeicher mit Abwärme aus dem Walzprozess des benachbarten Stahl- und Walzwerkes. Das heiße Abgas gibt dabei seine Energie im Wärmetauscher an das Heizwasser ab, sprich es erwärmt das Wasser. Dank der guten thermischen Eigenschaften von Wasser und der äußeren Dämmung des Speichers sind die Wärmeverluste über den Speicher gering. Zusätzlich gibt der Speicher den Stadtwerken die Möglichkeit, auch Wärme aus anderen Erzeugungsanlagen wie dem Biomasse-Heizkraftwerk einspeichern zu können. „Mit dem Wärmespeicher können wir teures Hochfahren einzelner Erzeuger noch stärker vermeiden und Phasen sehr starker Nachfrage direkt aus der im Speicher zwischengespeicherten Wärme bedienen“, erläutern die Stadtwerke.

Crowdfunding auch als Marketinginstrument

Die Technik beeindruckt – die Finanzierung ebenso. Fünf Millionen Euro mussten die Stadtwerke insgesamt in das Projekt investieren. 20 Prozent des Gesamtvolumens stammen nicht aus einem klassischen Kredit, sondern direkt von den Menschen vor Ort. Die Stadtwerke entschieden sich bewusst für Crowdfunding. „Durch den Speicher werden Investitionen in die Transformation unserer Fernwärme sichtbarer. Mit dem Crowdfunding wollten wir die Bürger aktiv an der Wärmewende vor Ort beteiligen“, heißt es von den Stadtwerken. Man nutze das Crowdfunding aber auch als Marketinginstrument zur Imagepflege.

Die Umsetzung erfolgte über die Online-Plattform einer Bank. Bürger konnten Beträge zwischen 500 und 25.000 Euro investieren. Für Hennigsdorfer gab es besondere Konditionen und eine Vorzeichnungsphase ausschließlich für sie. Schon nach zwei Monaten hatten lokale Anleger die Hälfte des geplanten Crowdfunding-Volumens gezeichnet. Als das Angebot bundesweit geöffnet wurde, war die zweite Hälfte innerhalb weniger Stunden eingesammelt. „Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden“, sagt der Sprecher. „Die Resonanz zeigt, dass Vertrauen in lokale Energieprojekte groß ist, wenn sie nachvollziehbar kommuniziert werden.“

Ohne Fördermittel geht es nicht

Neben dem Bürgerkapital tragen Fördermittel aus verschiedenen Töpfen das Projekt. „Ohne die Förderungen wäre die Errichtung wirtschaftlich nicht darstellbar gewesen“, betonen die Stadtwerke. „Die Fördermittel und das Bürgerengagement greifen hier ideal ineinander.“ Rechtlich war das Projekt für die Stadtwerke Hennigsdorf Neuland. „Es gibt einiges zu beachten. So gibt es Vorgaben zum Mindest- und Maximalanlagebetrag. Es gibt auch regulatorische Vorgaben, beispielsweise zu Verbraucherinformationen und Reports während der Anlagedauer, da es sich um ein Finanzierungsinstrument handelt, das durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigt werden muss.“

Mit dem Crowdfunding-erfahrenen Bankenpartner habe man es geschafft, den Aufwand für die Stadtwerke auf ein „handhabbares Minimum“ zu reduzieren. „Für uns war Crowdfunding am Ende eine relativ einfache Form der Bürgerbeteiligung und die Möglichkeit, die Bürger bei der Wärmewende mitzunehmen. Bürgerbeteiligung bietet immer die Möglichkeit, die Akzeptanz für Projekte bei den direkten Betroffenen zu erhöhen.“

Ariane Mohl ist Redakteurin im Public Sektor des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen schreibt sie über die Energiewende in den Städten und Gemeinden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Digitalisierung. Die Politikwissenschaftlerin arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin. Vier Jahre lang war sie als Redakteurin für den Neuen Kämmerer tätig. Nach fünf Jahren bei der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) ist sie seit Juli 2025 wieder für den F.A.Z.-Fachverlag im Einsatz.