Damit die Wärmewende gelingt, braucht es ein gemeinsames Engagement: „Es muss ein Hand-in-Hand sein von Kommunen, Energieversorgern und Bürgern“, sagt Andree Simon Gerken, Partner beim Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC. Während bei der Wärmeplanung und dem Aufbau von Wärmenetzen insbesondere das Zusammenwirken von Kommunen und Energieversorgern gefragt ist, kommen bei der Umsetzung und der individuellen Haustechnik die Bürger in Spiel. Damit die Wärmewende an den Schnittstellen also nicht stockt, braucht es einen transparenten Informationsfluss. Dafür hat PwC einen Wärmewende-Navigator entwickelt – ein Dashboard, das relevante Informationen für die Wärmeplanung und den damit verbundenen Netzausbau sowie die Investitionen bündelt.
Verlässlichkeit und Planungssicherheit entscheidend
Gerade bei der Finanzierung der Wärmenetzinfrastruktur brauche es Verlässlichkeit und Planungssicherheit, unterstreicht Gerken. Gleiches gilt für die Investitionen der Wärmeverbraucher in ihre Wärmetechnik. Entsprechend sei eine belastbare Datengrundlage für zukunftsweisende Entscheidungen vonnöten. Doch oft hapere es nicht nur an der Aufarbeitung dieser Daten, sondern auch daran, verschiedene Szenarien und Dynamiken einzubeziehen. Die Planungen für die Transformation des Energiesystems reichen teils Dekaden in die Zukunft – entsprechend sind Parameter zu berücksichtigen, die einer Veränderung unterworfen sein können.
Es brauche ein „atmendes“, stets aktuelles Informationsbündel, von dem sich zukunftsgerichtet unterschiedliche Fallkonstellationen vorausschauend ableiten und miteinander vergleichen lassen, ergänzt Nicolas Deutsch, bei PwC Experte für kommunale Wärmeplanung. „Denn die heutige Planung ist grundlegend für die Wärmeversorgung der Zukunft.“ Ein zeitpunktbezogenes, statisches Berichtswesen helfe nur bedingt weiter und werde der Dynamik, der die Wärme- und Netzplanung unterworfen ist, nicht gerecht.
Wärmewende: Dynamik in Planung einbeziehen
Wie verändern sich Nachfrage und Anschlussdichte für den Ausbau der Netze? Sind Technologiesprünge zum Beispiel bei Wärmepumpen zu erwarten, die sie möglicherweise preisgünstiger machen und ihre Einsetzbarkeit verbessern, sodass sie individuelle Heizlösungen gegenüber dem Netzausbau begünstigen? Lassen sich neue, bislang ungenutzte regenerative Wärmequellen wie Geothermie erschließen? Welche neuen technologischen Potentiale zur Verringerung des Energiebedarfs ergeben sich? Sind spezielle Lösungen zur Wärmeerzeugung und -versorgung in Quartieren denkbar? Welche Effekte haben solche Faktoren auf das Geschäftsmodell von Netzbetreibern und Energieversorgern sowie die Wirtschaftlichkeit aus Sicht des Wärmeverbrauchers? Wie wirken sie auf den geplanten Dekarbonisierungspfad einer Kommune? Derartige Aspekte wirken aufeinander ein, erklärt Gerken. Verändere sich davon nur einer, könne dies die gesamte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einer Planung in einem anderen Lichte erscheinen lassen.
Vor allem für die Belastbarkeit von Investitionen sei es also nicht nur wichtig, relevante Informationen zusammenzutragen, sondern auch verschiedene Varianten zu modellieren und Optionen gegeneinander abzuwägen. Ein integrierter und stets aktueller Datenüberblick könne hier wie ein „digitaler Zwilling für die Entwicklung des Fernwärmenetzes“ eine wichtige Entscheidungsgrundlage sein, so Gerken. Zudem sei er sinnvoll, um entsprechende Prozesse in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit und den Bürgern nachvollziehbar und transparent zu machen.
Bürger und Verbraucher wichtige Faktoren
Denn neben der Kommune, die die übergeordnete Wärmeplanung vornimmt, und dem Energieversorger, der entscheidend für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung vor Ort ist, ist der Bürger oder Wärmeverbraucher ein essenzieller Faktor für die Zukunftsplanung, unterstreicht Gerken. Insofern sollte er stets in die Pläne einbezogen werden – beispielsweise durch Abfragen und Willensbekundungen hinsichtlich der Nachfrage nach der präferierten Art der Wärmeversorgung. Schließlich entscheidet die Akzeptanz einer Fernwärmeversorgung über die Anschlussdichte und damit über die Tragfähigkeit eines Netzes. Dafür liefert die Simulation von Varianten etwa in den Dimensionen Technik, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz eine Informationsgrundlage. „Die Bürger sind bei allem mit drin und betroffen“, sagt Gerken.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.

