Die aktuelle Umfrage zum „OB-Barometer 2025“ des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) zeichnet ein besorgniserregendes Bild der deutschen Kommunalfinanzen. Die Haushaltsnotlage der Städte hat sich im Vergleich zum Vorjahr dramatisch verschärft und überschattet für die befragten Stadtoberhäupter alle anderen kommunalen Handlungsfelder in Sachen Dringlichkeit.
Denn 70 Prozent der befragten 139 Oberbürgermeister bezeichnen die Kommunalfinanzen als ihr drängendstes Problem in diesem Jahr – ein Anstieg von 20 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Damit sind Finanzsorgen doppelt so bedeutsam wie die nachfolgenden Themen Wohnen, Integration Geflüchteter und Klimaschutz, die jeweils von rund 35 Prozent der Befragten genannt werden. 2023 stuften lediglich 37 Prozent der teilnehmenden Oberbürgermeister die Finanzen als drängendstes Problem ein.
Laut einer ergänzenden Umfrage des Deutschen Städtetages bewerten 95 Prozent der Städte ihre Haushaltslage für die kommenden fünf Jahre als „eher schlecht“ oder sogar „sehr schlecht“. Ein ausgeglichener kommunaler Haushalt werde in Deutschland zum seltenen Ausnahmefall.
Die finanzielle Notlage betreffe Städte aller Größen und in allen Bundesländern gleichermaßen, so das Institut. „Vor diesem Hintergrund fordern die Städte zu Recht eine neue Finanzverteilung so schnell wie möglich, um ihre strukturelle Unterfinanzierung zu beenden“, kommentiere Difu-Wissenschaftlerin Beate Hollbach-Grömig die Ergebnisse.
Steigende Sozialausgaben und Investitionsstau
Laut Difu wird die finanzielle Schieflage durch rasant steigende Sozialausgaben verschärft. 85 Prozent der Stadtspitzen sehen darin eine „große“ oder „sehr große“ Herausforderung für ihre Städte. Nach Angaben des Deutschen Städtetages haben sich die kommunalen Sozialausgaben in den vergangenen zehn Jahren in fast allen Bereichen um mindestens ein Drittel, teilweise sogar um mehr als 100 Prozent erhöht. Beispielsweise hätten sich die Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt – von 32,8 auf 67,6 Milliarden Euro.
Die prekäre Finanzlage wirke sich direkt auf die kommunale Infrastruktur aus, so das Institut. Jeweils ein Viertel der Stadtspitzen nennt Infrastrukturerhalt und Schulentwicklung als vordringliche Handlungsfelder. Dies deckt sich mit Ergebnissen des KfW-Kommunalpanels aus dem vergangenen Jahr, das allein für Schulen bundesweit einen Investitionsrückstand von 54,76 Milliarden Euro ermittelte.
Auch die „Klimathemen“ bleiben für deutsche Städte bedeutsam: 90 Prozent der Oberbürgermeister sehen in der Umsetzung der Wärmewende und in Maßnahmen zur Klimaanpassung derzeit eine erhebliche Herausforderung für ihre Kommunen.
Wachsende Demokratieskepsis fordert Städte heraus
Neu in der diesjährigen Erhebung ist die Frage nach „Demokratieskepsis und Rechtspopulismus“ – ein Bereich, den 80 Prozent der befragten Oberbürgermeister als „große“ oder „sehr große“ Herausforderung einstufen. „Die Sorge der Kommunalverantwortlichen ist nachvollziehbar“, sagt Difu-Institutsleiter Carsten Kühl zu den Ergebnissen. „Kommunen sind die Keimzelle der Demokratie. Wie schnell Populismus die Demokratie unterwandern kann, zeigt der aktuelle Blick in die USA.“
Blick in die Zukunft: Die Finanzsorgen bleiben
Die Finanzprobleme werden die kommunale Agenda auch in den kommenden Jahren dominieren, glauben die Befragten. 68 Prozent der Oberbürgermeister sehen darin das wichtigste Zukunftsthema – der höchste Wert, der in zehn Jahren OB-Befragung für ein einzelnes Thema gemessen wurde. Mit deutlichem Abstand folgen Klimaschutz (42 Prozent), Flüchtlingsunterbringung (33 Prozent) und Wohnen (30 Prozent). Im Vorjahr hatte das Thema Finanzen erstmals den Klimaschutz als drängendstes kommunales Thema verdrängt.
Entsprechend fordern 81 Prozent der Stadtoberhäupter bessere finanzpolitische Rahmenbedingungen von Bund, Ländern und EU. Auch bei der Wohnungspolitik (58 Prozent), der Flüchtlingspolitik (50 Prozent) sowie der Bildungspolitik (48 Prozent) wird laut der Umfrage dringend Unterstützung benötigt.
Info
Infobox: Die jährliche Difu-Umfrage erfasst die wichtigsten aktuellen und zukünftigen Herausforderungen deutscher Kommunen aus Sicht der Stadtspitzen in Städten ab 50.000 Einwohnern. Die Befragung wird vom Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund unterstützt: OB-Barometer | Deutsches Institut für Urbanistik
Mirjam Lörcher ist seit Januar 2024 Teil des F.A.Z.-Fachverlags, zunächst bei FINANCE, und berichtet inzwischen für die Magazine #stadtvonmorgen und Der Neue Kämmerer.