Wenn am 11. November traditionell die Narrenzeit beginnt, findet im Gemeinderat der Stadt Heilbronn ein bizarrer Streit seine Fortsetzung, der ebenfalls närrische Züge aufweist. Dann berät das Lokalparlament nämlich abermals über die sogenannte Dönerladenobergrenze. Ein entsprechender Antrag der lokalen CDU hatte es in den vergangenen Monaten bundesweit zu knalligen Schlagzeilen geschafft. Das Stadtzentrum dürfe „nicht dem Zufall überlassen werden“, meint die CDU und hat daher eine „Obergrenze für bestimmte Nutzungen“ beantragt. Darunter subsumiert sie Dönerläden. Die Dönerladenobergrenze soll die Attraktivität der City sichern. Nun hat die Stadt eine juristische Stellungnahme vorgelegt, nach der ein solches Dönerladenverbot aber unzulässig ist und sich folglich als Instrument der Stadtentwicklung nicht eignet. Darüber spricht der Stadtrat im November.
Dönerladenobergrenze rechtlich nicht umsetzbar
Der Antrag der CDU kommt im Zeichen der Innenstadttransformation daher. Er bemängelt unter anderem den zunehmenden Verlust „attraktiver und hochwertiger Geschäfte“ und entsprechende Angebotslücken. Neben dem Onlinehandel entfalte „auch das Übermaß anderer Geschäfte eine negative Magnetwirkung“, heißt es in dem Antrag. „Es gilt, die Innenstadt vor der gefährlichen und wertvernichtenden Trading-Down-Spirale aus der gefürchteten Fruchtfolge Ein-Euro-Laden, Barbershop, Dönerbude, 24-Stunden-Automaten-Shop, Leerstand und steigender Kriminalität zu bewahren.“
Nun hat die Stadt eine Analyse vorgelegt, nach der der lokalpolitische Wunsch nach einer Dönerladenobergrenze nicht umsetzbar ist. „Eine Obergrenze für Dönerläden, wie sie die CDU gegenüber der Stadt fordert, ist auch in Heilbronn rechtlich nicht möglich“, erklärte Oberbürgermeister Harry Mergel bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche. Verbote seien für eine prosperierende Innenstadt ohnehin keine Lösung. Vielmehr verfolge die Stadt konsequent einen Masterplan für die Entwicklung ihrer City. „Unser Ziel sind Vielfalt und Mischung, also gerade nicht das Reduzieren auf bestimmte Nutzungen, sondern die Überlegung, was zur Vielfalt noch fehlt“, so Mergel.
Was unterscheidet den Dönerladen vom Imbiss?
Laut Stellungnahme der von der Stadt beauftragten Anwaltskanzlei weist der CDU-Antrag im Grunde zwei ausschlaggebende Lücken auf. Erstens sind Bereiche, für die er Restriktionen fordert, nicht klar abgrenzbar. Was unterscheidet etwa einen Barbershop von einem Friseur, was einen Ein-Euro-Laden von sonstigen Einzelhandelsgeschäften mit preisgünstigen Angeboten, was einen Dönerladen von einem Gastronomiebetrieb mit Imbisscharakter? Ohne eindeutige Kriterien käme ein Verbot einzelner Läden der Willkür gleich. Darüber hinaus liegt die Nutzung von Immobilien grundsätzlich in den Händen ihrer Eigentümer und nur bedingt im Regelungsbereich der Kommune.
Zweitens ist die im Antrag unterstellte Trading-Down-Spirale nicht belegt. Wieso führt zum Beispiel ein bestimmtes gastronomisches Angebot, für das offenbar eine Nachfrage besteht, zu einem urbanen Abwärtstrend bis hin zur Steigerung der Kriminalität? Hier fehle es dem Argument an kausaler Substanz. Dafür sei auch kein „allgemeiner städtebaulicher Erfahrungsschatz“ ersichtlich. „Man wird insoweit aufpassen müssen, dass man die städtebauliche Problematik nicht gerade in der typischen Besuchergruppe beziehungsweise ihrer Herkunft aus einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder -schicht erblickt“, heißt es in der Stellungnahme der Anwaltskanzlei.
Heilbronn im Dönerladenstädtevergleich
Darüber hinaus bezieht sich die Döneranalyse der Stadt auf die Dönerladenquote pro Einwohner im baden-württembergischen Landesvergleich. Die liegt demnach im Durchschnitt bei 3,7 Dönerläden pro 10.000 Einwohner. Dönerladenspitzenreiter ist Ulm mit 4,5, Schlusslicht ist Reutlingen mit 2,5. Heilbronn liegt mit 3,5 Dönerläden pro 10.000 Einwohner sogar unter dem Landesmittel. In ihrem Zentrum zählt die Stadt 20 Dönerläden, die einen Anteil von 2,6 Prozent an allen Innenstadtnutzungen und rund 15 Prozent an allen Gastronomiebetrieben ausmachen.
So birgt die aufwändige Dönerladenzählerei nicht nur saftige Leckerbissen für Juristen und für Statistiker auf Kosten der Steuerzahler. Auch närrische Büttenredner dürften sich über absurden Stoff freuen, wenn die Carneval Gesellschaft Heilbronn zeitgleich zur Gemeinderatssitzung am 11. November ihre Kampagne eröffnet – mit dreifach donnerndem „Trolli Helau!“
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.