„Ohne Finanzierungswende keine Mobilitätswende“: In Zusammenarbeit mit dem Märkischen Kreis hat das Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC Deutschland „zukunftsgerechte Finanzierungsmodelle für den ÖPNV“ untersucht. Dabei verfolgt es die Prämisse, dass die auskömmliche Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs entscheidend für den Umschwung auf den Umweltverbund ist. Es kommt zu dem Fazit, dass es angesichts kommunaler Haushaltsengpässe notwendig ist, neue Modelle für die ÖPNV-Finanzierung zu entwerfen. Aus dem Projekt mit dem Märkischen Kreis ergeben sich zum einen dafür allgemeine Vorschläge. Zum anderen betrachtet PwC die spezielle Situation von kreisangehörigen Städten und Gemeinden, wo die ÖPNV-Finanzierung oft über die Kreisumlage funktioniert, und schlägt eine alternative Systematik vor.
Neue Quellen für die ÖPNV-Finanzierung
„Aus kommunaler Sicht geht es nicht nur darum, den Finanzierungsbedarf des ÖPNV zu verteilen, sondern diesen idealerweise auch zu reduzieren“, sagt PwC-Mobilitätsexperte Maximilian Rohs gegenüber #stadtvonmorgen. Um neue Finanzierungsquellen zu erschließen, zieht er die Drittnutzer- oder Nutznießerfinanzierung in Betracht. So könnten etwa Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung für den ÖPNV eingesetzt werden. Auch Erschließungsabgaben, die Beteiligung von Arbeitgebern an einem tragfähigen Mobilitätssystem über eine ÖPNV-Abgabe, eine Pkw-Maut oder Bürger- und Mietertickets beschreibt der PwC-Experte als denkbare Bausteine. Insgesamt gehe es darum, die Finanzierungsbasis für den ÖPNV zu verbreitern, um so seine Defizite, die auf den kommunalen Haushalt durchschlagen, abzufedern.
Das Erschließen neuer Finanzierungsquellen sei nicht nur für den Ausbau der ÖPNV-Angebote im ländlichen Raum, sondern auch für die Weiterentwicklung der städtischen ÖPNV-Leistungen ein zukunftsweisender Weg, meint Rohs. Mit Blick auf die Mobilitätsangebote kreisangehöriger Städte und Gemeinden regt er überdies ein Finanzierungsmodell an, das zumindest nicht ausschließlich über die Kreisumlage läuft. „Wir brauchen eine sachgerechten Verteilungsmechanismus“, erklärt Rohs. Die Kreisumlage sei abhängig von der Steuerkraft der jeweiligen Kommune und habe insofern keinen ÖPNV-Bezug. Insofern stelle sie „keine verursachergerechte Finanzierungssystematik“ dar.
Stärkere Leistungsorientierung bei Umlagemodellen
Rohs schlägt daher stattdessen eine ÖPNV-spezifische Sonderkreisumlage vor, die spezielle Gegebenheiten im jeweiligen Landkreis berücksichtigen kann. So könnte sich die von Städten und Gemeinden zur ÖPNV-Finanzierung gezahlte Umlage stärker an der tatsächlich vom Landkreis erbrachten Mobilitätsleistung orientieren. Beispielsweise könnte sich die Höhe der Umlage danach berechnen, wie stark die jeweilige Stadt oder Gemeinde ans ÖPNV-Netz des Kreises angebunden ist – als Bezugsgrößen kämen etwa die Betriebsleistungen oder die Anzahl der bedienten Haltestellen in Frage.
Darüber hinaus ergäbe sich mit solch einem Modell die Möglichkeit, neben einer Basisfinanzierung für ein ÖPNV-Grundangebot den Gemeinden und Städten im Landkreis bei obligatorischer Zusatzzahlung „Wahlleistungen“ im Linienverkehr wie eine höhere Taktdichte oder ergänzende Streckenabschnitte anzubieten. Auf diese Weise hätten die jeweiligen Lokalparlamente im Gegensatz zu einem ausschließlich durch den Landkreis gesteuerten „allgemeinen“ ÖPNV die Gelegenheit, eigene mobilitätspolitischen Schwerpunkte zu setzen und somit örtliche Entscheidungen über das ÖPNV-Angebote zu treffen. Dies erhöhe zum einen den lokalen Gestaltungsspielraum hinsichtlich des ÖPNV und zum anderen die Sachgerechtigkeit des Finanzierungsmodells.
Info
Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen #stadtvonmorgen-E-Magazin, Ausgabe 2024/6. Das E-Magazin ist hier komplett verfügbar.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.