„X ist nicht mehr unser Spot. Spätestens heute ist der richtige Tag, zu gehen.“ So kündigte die Stadt Bochum am 10. Januar ihren Rückzug von der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) an. Ihren Abschied von X begründet Bochum damit, dass sie sich von einer „Plattform, die Demokratie diskreditiert oder sogar als Gesellschaftsform grundsätzlich in Frage stellt“, distanzieren wolle. Demgegenüber seien Städte „wichtiger Teil der Demokratie in Deutschland“.
„Das Echo wird immer weniger“
Bochum ist nicht allein: Von Profifußballklubs bis hin zu Hochschulen – derzeit ist ein zunehmender Rückzug von X zu verzeichnen. Ein wesentlicher Grund dafür ist der Eindruck, dass die Plattform emotional aufgeladene, teils rechtsextreme Inhalte verstärkt und so einen faktenbasierten Diskurs erschwert. Was die diesbezügliche Social-Media-Arbeit der Städte betrifft, gibt der Deutsche Städtetag derweil keine allgemeine Empfehlung ab. „Das entscheiden die Städte vor Ort“, teilt ein Verbandssprecher auf #stadtvonmorgen-Nachfrage mit. Zahlen, wie viele Städte konkret auf X vertreten sind beziehungsweise die Plattform verlassen haben, habe der Verband nicht erhoben.
Das Bochumer X-Profil hatte zuletzt eine Reichweite von 14.000 Kontakten. Die Stadt habe gegenüber ihren Bürgern eine Informationspflicht, erklärt ein städtischer Sprecher auf telefonische #stadtvonmorgen-Nachfrage. Gleichwohl habe man hinsichtlich der Plattform X „den subjektiven Eindruck, dass das Echo immer weniger wird und ein Großteil der Konten nicht aktiv ist“. Einzelne Posts auf X hätten zuletzt Reichweiten von lediglich 1.000 Impressionen erzielt.
Whatsapp als Alternative zur Plattform X
Gleichzeitig habe sich der Kanal verändert. Die Social-Media-Arbeit der Stadt ziele darauf ab, die Bürger mit Informationen der Verwaltung zu erreichen. Ob die städtische Zivilgesellschaft als Zielgruppe über X adäquat zu erreichen sei, stehe zunehmend infrage. Die diesbezügliche Entwicklung der Plattform habe man bereits seit längerer Zeit kritisch beobachtet, so der Stadtsprecher. Der faktenbasierte, demokratische Diskurs gehöre zu den Grundwerten einer deutschen Stadtverwaltung. Offenbar sieht die Stadt in der Plattform X dafür keinen angemessenen Kontext mehr.
Alternativ betreibt Bochum seit etwa drei Monaten einen neuen Kanal über das Kommunikationsnetzwerk Whatsapp. Über diesen hat sie eine neue Reichweite von 5.000 Kontakten aufgebaut. Außerdem ist die Stadt bei Facebook, Instagram, Youtube und LinkedIn präsent. Social Media unterliege gewissen Wellenbewegungen, sagt der Stadtsprecher. Grundsätzlich betrachte man kontinuierlich die Angebote der Plattformen und prüfe stets, welche Kanäle sich für die städtische Kommunikation am besten eignen. Es sei ein dynamischer Prozess und nicht auszuschließen, dass sich das städtische Social-Media-Portfolio zukünftig verändere. Parallel zur Social-Media-Arbeit kommuniziere die Stadt relevante Infos allgemein zugänglich über ihre Homepage.
Köln und Chemnitz haben X ebenfalls verlassen
Die Stadt Köln hat bereits in einem Post am 18. Oktober 2023 verkündet, dass sie ihre Kommunikationsarbeit auf der Plattform X einstellt beziehungsweise auf ein Minimum reduziert. Lediglich Eilmeldungen in Ausnahmesituationen wie Bombenentschärfungen wolle sie dort absetzen. Stattdessen konzentriere sie sich auf die Plattformen Facebook, Instagram, Mastodon und Bluesky. Ähnliches hat die Stadt Chemnitz in ihrem finalen Post vom 5. Januar 2024 vermeldet. Darin verweist sie neuerdings auf Bluesky, Mastodon und Threads sowie auf Facebook und Instagram. Die Stadt Augsburg verkündete heute ebenfalls ihren Abschied von X. „Die Stadt Augsburg stellt sich gegen jede Form von Extremismus und bekennt sich zur demokratischen Grundordnung. Dieser Grundsatz gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung“, sagt Oberbürgermeisterin Eva Weber dazu.
Seit ihrer Übernahme durch den US-Milliardär Elon Musk vor etwas mehr als zwei Jahren nimmt die Kritik an der Plattform X zu. Derzeit präsentiert sich Musk als enger Vertrauter des abermals gewählten US-Präsidenten Donald Trump. Im laufenden deutschen Wahlkampf meldete sich Musk zuletzt ebenfalls zu Wort. Am 9. Januar sprach er sich in einem über X gestreamten Gespräch mit der AfD-Kandidatin Alice Weidel für die rechtspopulistische Partei aus. Einen Tag später vermeldete die Stadt Bochum via Post ihren Abschied von X. Der Account ist heute schon nicht mehr abrufbar. Offiziell zieht sich Bochum laut eigenem Post am 20. Januar von X zurück. Der Tag fällt mit der Amtseinführung Trumps zusammen. Den entsprechenden Hashtag liefert die Stadt Bochum in ihrem Post gleich mit: #eXit.
Info
In eigener Sache: #stadtvonmorgen hat sich am 16. September 2024 von X zurückgezogen. Das Profil besteht noch, der Kanal wird jedoch nicht mehr betrieben. Die #stadtvonmorgen-Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist diesen Schritt am 18. Juni 2024 gegangen. Via Social Media ist #stadtvonmorgen über LinkedIn zu finden.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.