„Für Demokratie, Menschenwürde und den Rechtsstaat zu demonstrieren, sehe ich als meine Pflicht. Sowohl als Bürgerin unseres Landes als auch als Oberbürgermeisterin und Beamtin, als die ich vor knapp vier Jahren einen Eid auf unsere Verfassung und damit auf genau diese Werte abgelegt habe.“ Das sagt Eva Weber. Die Oberbürgermeisterin von Augsburg gilt als eine der lauten Stimmen ihrer Stadt, wenn es um den Kampf gegen Rechtsextremismus geht. Doch ein parteiübergreifender Aufruf für die Demonstration „Augsburg gegen Rechts“ am 3. Februar brachte ihr nicht nur Zuspruch, sondern auch eine Diskussion darüber ein, wie politisch neutral sich eine Amtsträgerin zu verhalten hat.
Demo gegen Rechts, für Toleranz und Demokratie
25.000 Menschen waren Medienberichten zufolge zu der Demo gegen Rechts gekommen. Sie war ein starkes Zeichen der Augsburger Stadtgesellschaft für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Die Versammlung stand im Kontext der bundesweiten Demonstrationen nach den Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv. Correctiv hatte im Januar über ein Treffen, an dem auch AfD-Mitglieder teilnahmen, berichtet. Dabei soll es um Ideen zur massenhaften Vertreibung von Menschen mit migrantischen Wurzeln aus Deutschland gegangen sein. Dies sorgte für nationale Empörung.
Zur Teilnahme an der Kundgebung vor dem Augsburger Rathaus „für eine offene, inklusive Gesellschaft“ hatte ein parteiübergreifendes Bündnis aufgerufen. Über die Hälfte der Augsburger habe einen Migrationshintergrund, heißt es in einem Aufruf, den lokalpolitische Gruppen verbreiteten. In ihm kommt die Sorge um gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Ausdruck: „In den Schulen hört man ängstliche Stimmen von Schülern, die fragen, ob sie jetzt das Land verlassen müssen. Es geht hier um unsere Freunde, um Familie, um Nachbarn, um unsere Kollegen – es geht um uns!“ Daher wolle die Demo ein Zeichen „für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ setzen.
Demo gegen Rechts: Positionierung versus Neutralitätspflicht?

Dass die Oberbürgermeisterin bei der Veranstaltung nicht nur auftrat, sondern den Aufruf auch vorab über ihre persönliche Webseite und im städtischen Intranet teilte, brachte ihr eine Dienstaufsichtsbeschwerde zweier Bürger bei der zuständigen Aufsichtsbehörde ein. Deren Kritik: Die Positionierung Webers ließe sich nicht mit der Neutralitätspflicht des Amtes in Einklang bringen. Zudem zeige sich eine gewisse Befangenheit, da die Stadtverwaltung mit Weber an der Spitze gleichzeitig genehmigende Versammlungsbehörde sei.
Die Regierung von Schwaben weist das Bestreben der Bürger allerdings zurück. Schließlich gehe es bei der Veranstaltung „um die Thematisierung des friedlichen Zusammenlebens der Stadtbevölkerung in ihrer Gesamtheit“, heißt es im Schreiben der Aufsichtsbehörde. Insofern handele es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, zu der sich die Oberbürgermeisterin positionieren dürfe. Zudem sei die Kundgebung „von einem überparteilichen, dem Schutz und der Erhaltung der Menschenrechte verpflichteten Bündnis“ initiiert worden. Ihr Ziel, „den innerstädtischen Zusammenhalt und demokratischen Grundkonsens auf Basis unserer Verfassung gegenüber zu Tage getretener gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu bestärken, ohne sich dabei – gar diffamierend – gegen eine bestimmte politische Gruppierung zu wenden, lässt auch keinen Verstoß gegen das für Amtsträger geltende Neutralitäts- beziehungsweise Sachlichkeitsgebot erkennen“.
Klare Aufgabenzuordnung in der Verwaltung
Hinsichtlich der „Zuständigkeits-Gemengelage“ in der Prozesskette von der Genehmigung bis zur Durchführung der Demo gegen Rechts sieht die Regierung von Schwaben ebenfalls keinen Anlass für dienstaufsichtsrechtliches Einschreiten. Sofern verschiedene Aufgaben innerstädtisch klar abgegrenzt seien und die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben sachlich gewährleistet sei, sei das unproblematisch. Schließlich sei es nicht ungewöhnlich, dass sich verschiedene Stellen der städtischen Verwaltung aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit einem Sachverhalt beschäftigen.
Von den Beschwerden will sich die Oberbürgermeisterin in ihrem Engagement für Demokratie und Vielfalt nicht bremsen lassen: „Ich bin jedenfalls froh, dass die Regierung von Schwaben meine Einschätzung der Angelegenheit teilt. Sich für unsere Demokratie einzusetzen, ist und muss auch stets in der Zukunft Aufgabe und Pflicht eines jeden gewählten Stadtoberhaupts sein“, sagt Weber.
Weber setzt Engagement für Demokratie unbeirrt fort
Ihr diesbezügliches Engagement setzt Weber konsequent fort. Gemeinsam mit einem Bündnis lokaler Wirtschaftsverbände, der „Allianz für Arbeitsplätze“, veröffentlichte sie am 20. März eine gemeinsame Stellungnahme. „Als global vernetzte Wirtschaft stehen wir gemeinsam für Weltoffenheit, Toleranz und internationale Kooperation. Diese Faktoren sind erfolgsentscheidend für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland“, heißt es in dem Text des Statements. Demgegenüber seien Populismus und rechtsextreme Positionen schädlich. „Sie schwächen unsere heimische Wirtschaft und unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem für uns so wichtigen Weltmarkt. Das gefährdet Arbeitsplätze und Wohlstand.“
Info
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.

