Vor welchen Transformationsaufgaben stehen die deutschen Städte? Was treibt sie um? Und was erwarten sie sich angesichts der anstehenden Neuwahlen von der Bundespolitik? Diese Fragen stellt #stadtvonmorgen zum Jahreswechsel 14 deutschen Stadtlenkern. An dieser Stelle antwortet Oberbürgermeister Florian Janik aus Erlangen. Die Antworten aller 14 Oberbürgermeister erscheinen nacheinander in der Serie „Über die Jahresschwelle“ auf dieser Plattform sowie gebündelt am 2. und 8. Januar im #stadtvonmorgen-Newsletter. Der Newsletter kann kostenlos hier abonniert werden.
Transformation ohne Strukturkrise
#stadtvonmorgen: Ob Energie, Mobilität, Innenstadtentwicklung, Digitalisierung, Wohnungsbau oder Klimaschutz und -anpassung: Das Spektrum großer Transformationsthemen, vor denen Städte stehen, ist weit. Auf welchen Feldern liegen speziell für Ihre Stadt die zentralen Zukunftsthemen und drängendsten Herausforderungen?
Florian Janik: Kommunen stehen vor der Herausforderung, dass sie nicht nur eines der Themen zu bewältigen haben. Vielmehr kommen alle genannten Herausforderungen zusammen und sind auch verschränkt. Erlangen hat das Glück, dass die Transformation vor dem Hintergrund milliardenschwerer Zukunftsinvestitionen großer Unternehmen in den Standort und des Freistaats Bayern in Universität, Forschung und Uniklinikum und ohne tiefgreifende Strukturkrise gestaltet werden kann.
Es braucht pragmatische Lösungen vor Ort
#stadtvonmorgen: Welches sind dabei die größten Hürden für Ihre Stadt?
Florian Janik: Egal ob es um Mobilität, die klimafreundliche Gestaltung unserer Energieversorgung oder Wohnen geht: Um die Kommunen zukunftsfähig zu machen, müssen enorme Investitionen getätigt werden. Die Finanzausstattung der Kommunen wird diesen Herausforderungen nicht gerecht. Durch einen massiven Gewerbesteuerrückgang erleben wir gerade in Erlangen, wie selbst an einem an sich gesunden Wirtschaftsstandort die Einnahmen so einbrechen können, dass die Handlungsfähigkeit der Kommune gefährdet ist. Aber auch die rechtlichen Vorgaben von Europäischer Union, Bund und Land schränken Kommunen oft so stark ein, dass pragmatische Lösungen vor Ort nicht umgesetzt werden können.
#stadtvonmorgen: Wo sehen Sie die wichtigen Stellschrauben: Was braucht Ihre Stadt, um Ihre Aufgaben zu meistern und in die Zukunft zu schreiten?
Florian Janik: Wir brauchen mehr Entscheidungsspielräume, um Probleme für die Herausforderungen vor Ort passend zu lösen. Das geht bei vermeintlich einfachen Fragen los wie: Warum kann man nicht ohne Sondergenehmigung Räume für offene Ganztagsangebote außerhalb eines Schulgebäudes anmieten, wenn das Schulgebäude ganz offensichtlich nicht mehr genug Platz bietet? Und es geht hin bis zu komplexen Fragen der Energiewende, wo die Umstellung der Fernwärme auf regenerative Energien mit Wärmepumpen an Flüssen auf wasserschutzrechtliche Hürden trifft. Um nicht falsch verstanden zu werden: Für viele Regelungen und Gesetze gibt es gute Gründe. Aber wenn wir den vielen Herausforderungen gerecht werden wollen, muss es einfacher werden, Regelungen anzupassen und pragmatisch zu handeln.
#stadtvonmorgen: Was erwarten Sie sich von der Bundespolitik und einer sich neu formierenden Regierung für die Kommunen?
Florian Janik: Zum einen geht es darum, Kommunen beispielsweise bei der Schaffung von Wohnraum etwa durch Erleichterungen beim Planungs- und Baurecht mehr Möglichkeiten zu geben. Bei der Bekämpfung des Klimawandels geht es um mehr Kompetenzen vor Ort. Zum anderen geht es um eine bessere Finanzausstattung der Kommunen. Wenn wir den kommenden Generationen marode Brücken, unzureichende Schulen und keinen klimafreundlichen Nahverkehr hinterlassen, ist nichts gewonnen. Wenn wir die Zukunftssicherheit unseres Landes sichern wollen, dürfen wir uns nicht von ideologischen Vorbehalten gegen Staatsschulden und Vorbehalten gegen eine stärkere Beteiligung großer Vermögen am Allgemeinwohl lenken lassen.
Starke Kommunen und starke staatliche Strukturen
#stadtvonmorgen: Was ist Ihr erreichbares, nicht zu fernes Zielbild: Wie sieht Ihre Stadt von morgen aus, welche typischen Merkmale hat sie?
Florian Janik: Das ist eine Stadt, in der die Verwaltung auf Bedürfnisse der Bürger schnell reagieren und pragmatisch handeln kann. Das sind Kommunen, die so ausgestattet sind, dass sie die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen können. Es sind Orte, in denen Menschen Vertrauen in staatliches Handeln gewinnen und auch stolz darauf sind, wie die Transformation unseres Industrielandes hin zu Klimaschutz und Digitalisierung in der Infrastruktur sichtbar wird und gelingt. Und es sind Orte, wo Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenleben, sich bereichern und auch unterstützen. Wir brauchen starke Kommunen und starke staatliche Strukturen. Wir brauchen aber auch eine starke Zivilgesellschaft, in der sich Menschen vor Ort einbringen. Denn die Herausforderungen, vor die uns Klimawandel, Demographie und Migration stellen, kann der Staat ohne das Engagement aller nicht lösen.
Info
Die Interviews mit allen 14 Oberbürgermeistern in der Serie „Über die Jahresschwelle“ gibt es zum Nachlesen gebündelt in den #stadtvonmorgen-Newslettern am 2. und am 8. Januar. Anmeldung kostenlos hier.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.

