Vor welchen Transformationsaufgaben stehen die deutschen Städte? Was treibt sie um? Und was erwarten sie sich angesichts der anstehenden Neuwahlen von der Bundespolitik? Diese Fragen stellt #stadtvonmorgen zum Jahreswechsel 14 deutschen Stadtlenkern. An dieser Stelle antwortet Oberbürgermeister Tobias Schick aus Cottbus. Die Antworten aller 14 Oberbürgermeister erscheinen nacheinander in der Serie „Über die Jahresschwelle“ auf dieser Plattform sowie gebündelt am 2. und 8. Januar im #stadtvonmorgen-Newsletter. Der Newsletter kann kostenlos hier abonniert werden.
„Eine sich neu erfindende Großstadt ohne Moloch“
#stadtvonmorgen: Ob Energie, Mobilität, Innenstadtentwicklung, Digitalisierung, Wohnungsbau oder Klimaschutz und -anpassung: Das Spektrum großer Transformationsthemen, vor denen Städte stehen, ist weit. Auf welchen Feldern liegen speziell für Ihre Stadt die zentralen Zukunftsthemen und drängendsten Herausforderungen?
Tobias Schick: Der laufende Strukturwandel von der Kohleregion in eine moderne Energieregion mit medizinischer und technischer Forschung unter anderem für die medizinische Versorgung in ländlich geprägten Gebieten, die Einbeziehung der Bürgerschaft in diese demokratisch zu begleitenden Prozesse, eine traditionsbewusste, dabei wachsende, sich neu erfindende Großstadt ohne Moloch – für all das sind die genannten Themen wichtig und entsprechend Schwerpunkte. Die Entwicklungen fußen auf teils langjährigen Traditionen, zu denen wir stehen.
#stadtvonmorgen: Welches sind dabei die größten Hürden für Ihre Stadt?
Tobias Schick: Größte Hürden dürften die verlässliche Finanzierung der kommunalen Aufgaben in ihrer facettenreichen Fülle sein, denn daran messen die Bürger die Lebensqualität. Dazu kommt die Suche nach Fach- und Arbeitskräften für bestehende und neue Jobs und damit verbunden das Image der Stadt, die sich als Anziehungspunkt für die Region entwickeln will und muss. Dafür braucht es die Bereitschaft aller, Zuzug zuzulassen und als Chance zu begreifen – selbstverständlich muss dieser Zuzug gesteuert erfolgen, und es müssen die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen sein. Dazu gehören etwa Kitas, Schulen oder die medizinische Versorgung. Hier wieder: Finanzierung kommunaler Aufgaben. Der Wiederspruch beziehungsweise der Spagat zwischen Milliarden-Förderung für den Strukturwandel und den nicht ausreichend finanzierten Tagesaufgaben muss aufgelöst werden.
#stadtvonmorgen: Wo sehen Sie die wichtigen Stellschrauben: Was braucht Ihre Stadt, um Ihre Aufgaben zu meistern und in die Zukunft zu schreiten?
Tobias Schick: Wie bisher und immer noch mehr aufgeschlossene, tatkräftige, engagierte Bürger, die notwendige Finanzierung sowohl im Strukturwandel als auch in den genannten Alltagsaufgaben.
#stadtvonmorgen: Was erwarten Sie sich von der Bundespolitik und einer sich neu formierenden Regierung für die Kommunen?
Tobias Schick: Freie Hand für die Kommunen, also weniger Vorschriften und Bürokratie. Eine ausgeweitete, auskömmliche und verlässliche Finanzierung von Kommunen, unter anderem ein Schulbauprogramm, Unterstützung bei gesteuertem und gezieltem Zuzug, dazu – wo notwendig und geboten – auch Abschiebungen.
„Cottbus wird Seestadt“
#stadtvonmorgen: Was ist Ihr erreichbares, nicht zu fernes Zielbild: Wie sieht Ihre Stadt von morgen aus, welche typischen Merkmale hat sie?
Tobias Schick: Cottbus/Chóśebuz als Boomtown bleibt eine attraktive Stadt der kurzen Wege mit einem ausgebauten ÖPNV-Netz in neu entstehende Stadtteile. Cottbus/Chóśebuz wird Seestadt mit dem Cottbuser Ostsee, der beispielsweise hilft, die Energie- und Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, etwa mithilfe einer Seewasserwärmepumpe oder schwimmenden Photovoltaikanlagen. Cottbus/Chóśebuz entwickelt sich als Stadt der drei Universitäten, bleibt eine grüne Stadt, zeigt sich offen für geregelten Zuzug wichtiger Fach- und Arbeitskräfte, verfügt über ein stabiles urbanes Kultur-, Vereins-, Sport- und Freizeitangebot. Cottbus/Chóśebuz pflegt und bewahrt die Traditionen und die Entwicklung der sorbisch-wendischen Minderheit.
Info
Die Interviews mit allen 14 Oberbürgermeistern in der Serie „Über die Jahresschwelle“ gibt es zum Nachlesen gebündelt in den #stadtvonmorgen-Newslettern am 2. und am 8. Januar. Anmeldung kostenlos hier.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.