Zwei Meldungen des Statistischen Bundesamtes sorgen im Baugewerbe für Diskussionen. Die Aufträge im Bauhauptgewerbe stiegen im August 2023 preis- und kalenderbereinigt um 10,8 Prozent gegenüber dem Vormonat und um 17,5 Prozent gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres. Ebenfalls im August 2023 lag die Zahl der Genehmigungen im Wohnungsbau um 31,6 Prozent unter dem Vorjahreswert. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres betrug der Rückgang insgesamt 28,3 Prozent. Damit wurden lediglich noch 175.500 Wohnungsbauanträge genehmigt, 69.100 weniger als in den ersten acht Monaten 2022.
Wohnungsbau in der Defensive
Das Statistische Bundesamt führt die Rückgänge bei den Genehmigungen für Wohnbauvorhaben auf steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen zurück. Im August lagen die Baukosten um 6,4 Prozent über dem Vorjahresniveau, die Zinsen für zehnjährige Baukredite hatten sich gegenüber dem Vorjahr auf vier Prozent verdoppelt. Die Preise für Bestandsimmobilien waren dagegen im zweiten Quartal 2023 um 9,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken.
Kommunen investieren in Tiefbau
Für die Städte sind diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Meldungen Zeichen eines Dilemmas: Investitionen in die Infrastruktur für Energieversorgung und öffentlichen Nahverkehr treiben die Auftragseingänge im Tiefbau. Der Wohnungsbau kommt dagegen nicht voran. Zu dieser Einschätzung kommt Thomas Reimann, Präsident des Hessischen Baugewerbes, in einem Kommentar auf der Plattform LinkedIn. Er verweist auf den anhaltenden Rückgang der Baugenehmigungen. „Die von der Bundesregierung angekündigten 14 Punkte für zusätzliche Investitionen müssen schnellstens umgesetzt werden, sonst droht der Kollaps“, sagt Reimann.
Maßnahmenpaket des Bundes
Am 25. September hatte die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket vorgestellt, dass unter anderem Abschreibungsmöglichkeiten, Finanzierungsangebote und Erleichterungen wie die Aussetzung des Energiestandards EH40 vorsieht. Bei einem Treffen des „Bündnisses bezahlbarer Wohnraum“ im Kanzleramt hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz am 25. September unter anderem eine Änderung des Baugesetzbuches angekündigt. Durch eine Sonderreglung soll es Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten bis Ende 2026 ermöglicht werden, den Bau von bezahlbarem Wohnraum vereinfachter und beschleunigter zu planen.
Gunther Schilling ist Verantwortlicher Redakteur Public Sector mit Schwerpunkt „#stadtvonmorgen“. Dort schreibt er insbesondere über die Themen Digitalisierung und kommunale Unternehmen. Der Diplom-Volkswirt ist seit 1990 als Redakteur in der F.A.Z.-Verlagsgruppe tätig. Das Team von „#stadtvonmorgen“ verstärkt Gunther Schilling seit Januar 2022. Zuvor war er Leitender Redakteur des Außenwirtschaftsmagazins „ExportManager“.