Die deutschen Städte fordern eindringlich den Schutz von kommunalen Amts- und Mandatsträgern gegen Hass und Hetze. Zudem treten sie nachdrücklich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein. „Brandanschläge oder Steinwürfe auf Wohnungen oder Autos von Kommunalpolitikern sind Angriffe auf Menschen. Das ist ungeheuerlich und muss konsequent verfolgt und geahndet werden“, sagte Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig und Vizepräsident des Deutschen Städtetags, heute beim Pressegespräch im Anschluss an die 64. Oberbürgermeisterkonferenz der ostdeutschen Städte in Schwerin.
Hass und Hetze im Netz und auf der Straße
Jung bezieht sich auf die aktuelle Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“ zu Hass und Hetze im Netz. Demnach würden etwa 60 Prozent der politisch aktiven Menschen häufig aggressiv angegangen. Die Anfeindungen sowohl im Netz als auch auf der Straße bedrohten die Basis des demokratischen Gemeinwesens. „Umso wichtiger ist es, diese Menschen zu stärken und zu schützen“, so Jung. Demokratie brauche Auseinandersetzung und Kontroversen. „Wir akzeptieren aber nicht, wenn die Basis unseres Zusammenlebens angegriffen wird: die Würde des Menschen.“
Zuletzt hatte der Deutsche Städtetag mit der sogenannten Trierer Erklärung rechtsextreme Tendenzen scharf verurteilt. „Es gibt mir Zuversicht, dass auf den Straßen unserer Städte seit Wochen für unsere Demokratie gekämpft wird. Hier zeigt sich eine aktive und wache Zivilgesellschaft“, sagt Jung angesichts des aktuellen Demonstrationsgeschehens in deutschen Städten. „Wir sehen, dass sich eine Mehrheit für Toleranz und ein gutes Miteinander einsetzt. Das sind klare Signale der Solidarität gegen die Spaltung unserer Stadtgesellschaften.“ Dabei verlange das Bekenntnis zu Menschenwürde, Demokratie und Rechtstaatlichkeit insbesondere in kleineren Städten und im ländlichen Raum oft besonderen Mut. Dafür brauche es gesellschaftlichen Rückhalt.
Personalmangel bedroht das System
Bei der Pressekonferenz wies Rico Badenschier, Oberbürgermeister von Schwerin, außerdem auf den sich zuspitzenden Arbeitskräftemangel in deutschen Verwaltungen hin. Auch der sei im Kontext der Stabilität des demokratischen Systems zu betrachten. Denn Kommunalverwaltungen seien „für die meisten Menschen der Gradmesser, ob der Staat leistungsfähig und die Demokratie handlungsfähig ist“. Um den bevorstehenden Personalmangel abzumildern, hatte der Städtetag zuletzt das Positionspapier „Kommunale Handlungsfähigkeit erhalten in Zeiten des Arbeitskräftemangels“ veröffentlicht.
Info
– Über die Trierer Erklärung berichtet #stadtvonmorgen ausführlich hier; und über die Stimmen deutscher Oberbürgermeister zum Thema hier: Belit Onay, Octavian Ursu, Mike Josef.
– Über den Fachkräftemangel in kommunalen Verwaltungen berichtet #stadtvonmorgen unter anderem im neuen E-Magazin. Anmeldungen fürs E-Magazin, das mit dem #stadtvonmorgen-Newsletter erscheint, gibt es hier.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.

