Die Bundesstadt Bonn treibt den Bau einer Seilbahn weiter voran. In seiner Sitzung vom 14. März hat der Stadtrat die Verwaltung damit beauftragt, einen diesbezüglichen Kooperationsvertrag mit den Stadtwerken abzuschließen. Die Stadtwerke spielen für die Planung und den späteren Betrieb der Seilbahn eine maßgebliche Rolle. Die Besonderheit der geplanten Bonner Seilbahn ist, dass sie als erste Seilbahn der Republik nicht nur strukturell, sondern auch tariflich in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) eingebunden ist. Für Bonn sei das Vorhaben „Teil der Verkehrswende“, sagt Oberbürgermeisterin Katja Dörner.
Seilbahn: ein Dekadenprojekt für Bonn
Auf einer Strecke von 4,3 Kilometern soll die Seilbahn zentrale Orte und wichtige Arbeitsstellen der Stadt über den Rhein hinweg miteinander verbinden. Darunter sind das Bundesviertel mit UN-Campus, der Post Tower, der Hauptsitz der Deutschen Telekom sowie die Uniklinik. Geplant sind fünf Stationen. Für die Stadt ist der Seilbahnbau ein Dekadenprojekt.
Eine Schätzung auf Basis des Jahrs 2019 bezifferte die Kosten für den Bau mit 66 Millionen Euro. Aufgrund allgemeiner Kostensteigerungen, Inflation und krisenbedingten Materialengpässen könnten sie aber auch 100 Millionen Euro überschreiten, ordnet der Bonner Stadtbaurat Helmut Wiesner im Gespräch mit #stadtvonmorgen ein. Der jährliche Zuschussbedarf für den Betrieb ist mit 800.000 Euro veranschlagt, die langfristig auf rund zwei Millionen Euro ansteigen können.
Entlastung der Verkehrssituation
Die Sinnhaftigkeit einer Seilbahn sei nicht per se gegeben, erklärt Wiesner. Sie sei situationsbedingt. In Bonn kommen verschiedene Anliegen zusammen, die das Projekt nützlich machen. Zum einen ist es die lokale Verkehrslage, die einer Entwirrung bedarf, zum anderen sind es die topografischen Voraussetzungen. Darüber hinaus fügt sich das Vorhaben des Baus einer elektrisch und damit emissionsarm betriebenen Seilbahn in das Streben Bonns, 2035 klimaneutral zu sein, ein.
„Ausgangspunkt war ein konkretes verkehrsplanerisches Anliegen“, erklärt Wiesner die Grundvoraussetzung. Im Fokus stand eine Sackgassensituation bei der Verkehrsanbindung der Uniklinik auf dem Venusberg. Hier zeichnen sich Staus ab, die auch die Verlässlichkeit des ÖPNV herausfordern. Mit der Seilbahn könne man diesen verkehrsplanerischen Engpass entlasten. Dass die Seilbahn außerdem über einen strukturstarken Korridor mit verdichteten Wohn- und Arbeitsbereichen führe, erhöhe außerdem ihren verkehrlichen Entlastungswert.
Zeitersparnis und Klimafreundlichkeit
Zwar bewege sich die Seilbahn vergleichsweise langsam fort. Aufgrund der direkten Verbindung über den verzweigten Straßenraum und den Rhein ermögliche sie gegenüber dem Stadtverkehr dennoch eine deutliche Zeitersparnis, die sich mit Bus oder Bahn nicht realisieren lässt, so Wiesner. Ein weiteres Plus ist der klimafreundliche Antrieb. Da die Stadt Bonn darauf abzielt, ihre Stromversorgung aus regenerativen Energiequellen zu speisen, trägt die Seilbahn zur Dekarbonisierung des Stadtverkehrs bei. Zudem sind ihre Haltestationen mit dem örtlichen ÖPNV-System verknüpft. So ergänzt sie die ÖPNV-Infrastruktur, die für den Umschwung auf den Umweltverbund entscheidend ist.
Nach anfänglichen Diskussionen herrscht in der Stadtgesellschaft eine breite Akzeptanz des Vorhabens. Den Fortgang der Planungen wolle man mit einer ausführlichen Bürgerinformation begleiten, sagt Wiesner. Nachdem diverse Gutachten gefertigt wurden, geht es derzeit um eine Feinjustierung des Streckenverlaufs und die Vorbereitung erster Ausschreibungen.
Info
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.

