Innenstadt im Strukturwandel

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Die Problematik betreffe nicht nur Kleinstädte wie Wittenberge mit rund 20.000 Einwohnern, sondern Städte jeder Größenordnung, wie die aktuellen Umwälzungen bei großen Kaufhausketten zeigten: „Die Vorstellung von Innenstadt, wie wir sie gewohnt sind, müssen wir ablegen“, sagt Oliver Hermann. Die Idee einer monostrukturierten „Einkaufsstadt“ sei überholt und nicht mehr zu verwirklichen, meint der Bürgermeister von Wittenberge. „Wir haben einen Strukturwandel zu organisieren“, erklärt dazu die Baubeigeordnete der Stadt Aachen, Frauke Burgdorff.

Neue Nutzungen für die Innenstadt

Gemeinsam mit Ulf Kämpfer, dem Oberbürgermeister von Kiel, traten Hermann und Burgdorff gestern im Anschluss an eine Sitzung des Beirats Innenstadt bei einer Pressekonferenz des Bundesbauministeriums in Berlin auf. Dabei skizzierten sie aus Sicht ihrer jeweiligen Stadt die Herausforderungen, denen Innenstädte entgegensehen. In dem Beirat tauscht sich das Bundesministerium regelmäßig mit Akteuren aus der Immobilien- und Bauwirtschaft, dem Einzelhandel, dem Handwerk sowie kommunalen Verbänden über die Innenstadtentwicklung sowie entsprechende Transformationsaufgaben aus.

„Wir sehen Trends, die sich überall in Deutschland abzeichnen“, so Bauministerin Klara Geywitz. Nicht nur der Einzelhandel sei durch das Onlineshopping, sondern auch Büronutzungen seien durch zunehmende Home-Office-Lösungen als Funktionen der Innenstadt „unter Druck gekommen“. Darunter litten die Frequenz und die Lebendigkeit der Zentren. Es gelte also, den Boden für neue Nutzungsarten zu bereiten.

Die Regulatorik den Herausforderungen anpassen

Dabei erinnert Geywitz an das traditionelle Konzept der europäischen Stadt, die sich durch einen Nutzungsmix auszeichnet. Insofern müsse in den Zentren wieder mehr Raum für Arbeit, Produktion und Gewerbe sein. Dabei denkt die Ministerin auch an zukunftsträchtige Branchen der Kreislaufwirtschaft wie Reparaturbetriebe oder die Sharing Economy. Es gelte, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für neue Nutzungen in Innenstadtlagen zu verbessern.

Tauschen sich über die Innenstadt aus: Frauke Burgdorff, Klara Geywitz, Oliver Hermann, Ulf Kämpfer (v.l.). (Quelle: BMWSB/Stefanie Loos)
Tauschen sich über die Innenstadt aus: Frauke Burgdorff, Klara Geywitz, Oliver Hermann, Ulf Kämpfer (v.l.). (Quelle: BMWSB/Stefanie Loos)

Darauf weist auch Kämpfer hin. Wolle man die Innenstadt durch neue Funktionen, Umnutzungen von Immobilien oder auch Events beleben, könne es zu „Nutzungskonflikten“ kommen. Entsprechend sei der regulatorische Rahmen an die Notwendigkeiten anzupassen. Darüber hinaus bräuchten die Kommunen mehr Handlungsmöglichkeiten wie Vorkaufsrechte hinsichtlich der Aktivierung brachliegender Flächen und leerstehender, stadtstrategisch wichtiger Schlüsselimmobilien. Ebenso bräuchten sie Instrumente in Fällen, in denen sich Eigentümer mit unrealistisch hohen Renditeerwartungen für die Stadtentwicklung als Hemmschuh erwiesen, meint Burgdorff. Im Sinne einer gemeinwohlorientierten lokalen Immobilien- und Bodenpolitik setzt sie Hoffnungen in die anstehende Baugesetzbuchnovelle.

Förderkulissen für die Innenstadt

Neben der Rahmensetzung für die Innenstadtentwicklung sei die finanzielle Unterstützung des Stadtumbaus durch den Bund ein wichtiges Erfolgskriterium. Alle drei kommunalen Akteure – Hermann, Burgdorff und Kämpfer – betonen die Relevanz der Städtebauförderung als „wichtigstes Fördermittelproramm des Bunds für die Stadtentwicklung“, so Hermann. Jährlich stellt der Bund dafür 790 Millionen Euro bereit. „Die mittelfristige Finanzplanung sieht diese 790 Millionen bis 2027 vor“, erklärt Geywitz mit dem Wunsch nach einer langfristigen Stabilität des „unverzichtbaren Programms“.

Darüber hinaus stehen den Städten im Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIS) bis 2025 noch einmal 250 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm wurde angesichts der Coronakrise gestartet, um die durch die Pandemie beschleunigte Transformation der Zentren zu flankieren. Auch diese Förderkulisse habe sich bewährt, so Geywitz. Hinsichtlich ihres Auslaufens gelte es daher zu fragen, welches Folgeprogramm sich für die Zeit ab 2026 entwickeln lasse. Beispielsweise könne man die Förderung dann an den Themen Mobilität, Klimaanpassung oder Sauberkeit und Sicherheit orientieren, blickt die Ministerin voraus.

Mehr im E-Magazin

Einen ausführlichen Bericht über die Transformation leerstehender Warenhäuser in der Innenstadt und die diesbezügliche Rolle von Städten gibt es im #stadtvonmorgen-E-Magazin (Ausgabe 2024.02 vom 17. April). Es ist für Newsletter-Abonnenten kostenlos als Download verfügbar. Anmeldungen hier.

a.erb@stadtvonmorgen.de

Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.