2019 hat der Stadtrat nicht nur den Klimanotstand ausgerufen, sondern auch die Verwaltung damit beauftragt, ein Klimaschutzkonzept und eine Klimaanpassungsstrategie zu erarbeiten. Am Montag legte die Stadt Bochum nun ihre Nachhaltigkeitsstrategie vor. Die beinhaltet den Klimaschutz und die Klimaanpassung als wesentliche Bausteine. Sie geht aber weit darüber hinaus: Nach Angaben der Stadt ist sie bundesweit die erste, die in Anlehnung an die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG) „alle zehn vom deutschen Rat für Nachhaltige Entwicklung definierten Handlungsfelder bearbeitet“. Daraus folgen über 200 Maßnahmen. Das übergeordnete Ziel: 2035 will Bochum klimaneutral und Schwammstadt sein.
Nachhaltigkeitsstrategie mit systemischem Ansatz
Dafür hat Umweltdezernent Markus Bradtke bei der Pressekonferenz am Montag ein „Starterpaket“, das 22 Maßnahmen umfasst, vorgestellt. Jährlich sollen weitere 15 bis 30 Maßnahmen aus der Nachhaltigkeitsstrategie in die Umsetzung kommen. Die Nachhaltigkeitsstrategie verfolge einen systemischen Ansatz, erklärt Bradtke gegenüber #stadtvonmorgen.
Die Nachhaltigkeitsarbeit in Bochum fuße auf einer langen Tradition. Bislang sei sie allerdings eher fragmentiert angegangen worden. In die Nachhaltigkeitsstrategie integriere man nun also einzelne Themenfelder und Initiativen – von der baulichen Stadtentwicklung über die Verkehrsplanung, die Energieversorgung, Aspekte der Bildung und der Gesundheit bis hin zu sozialen Fragen. Dieser integrierte Blick sei charakteristisch für das Papier, so Bradtke.
Schwammstadt als Element der Nachhaltigkeitsstrategie
Schon die ersten 22 Maßnahmen des Starterpakets veranschaulichen die Breite des Bochumer Nachhaltigkeitsansatzes. Unter anderem geht es um die Energie- und die Wärmewende: Mit einer gesamtstädtischen Wärmeplanung möchte die Stadt die Grundlage für die Transformation zur dekarbonisierten Wärmeversorgung legen. Zudem geht es um den Ausbau von Photovoltaik etwa auf kommunalen Gebäuden oder im privaten Bereich mithilfe eines Förderprogramms. Darüber hinaus reichen die Maßnahmen von der Fortschreibung des Bochumer Mobilitätskonzepts, das den Umschwung auf den Umweltverbund fördern möchte, über energetische Sanierungen von Gebäuden und klimaneutrale Neubauten bis hin zu Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung durch sogenannte Foodsharing-Angebote in öffentlichen Einrichtungen.
Die städtebauliche Dimension des Bochumer Nachhaltigkeitsansatzes zeigt sich am Ziel, Schwammstadt zu werden. Das hat einen klimagerechten Umbau des Stadtraums zugunsten blauer und grüner Infrastrukturen zur Folge. Hier ist die Stadt in der Vergangenheit bereits pionierhaft vorangeschritten. Beispielsweise setzt sie im Straßenbau das Schwammstadtprinzip um (Foto oben). Das Regenwasser wird nicht mehr wie bisher direkt ins Kanalisationssystem abgeleitet, sondern soll in Grünstreifen in der Straßenmitte bestenfalls versickern oder vor Ort verdunsten. Hiervon erwartet sich die Stadt in heißen Sommermonaten einen kühlenden Effekt und im Fall von Starkregen eine Art Puffer.
Gemeinsame Kraftanstrengung für Klimaneutralität nötig
Die Bochumer Strategie betrachtet Nachhaltigkeit in vier Dimensionen: der sozialen, der ökonomischen und der ökologischen sowie der kulturellen. In den nächsten Wochen entscheidet der Stadtrat darüber. „Dieses Paket ist ein deutliches Statement und ein klares Bekenntnis der ganzen Stadtgesellschaft zur Nachhaltigkeit“, so Umweltdezernent Bradtke über die beginnende Umsetzung. Um das Ziel der Klimaneutralität gesamtgesellschaftlich zu erreichen, brauche es aber nicht nur das Zusammenwirken von Stadt und Zivilgesellschaft, sondern auch eine gemeinsame Kraftanstrengung aller staatlichen Ebenen: Kommunen, Ländern, Bund und EU.
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.

