Investitionskraft für die Transformation

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Mit Blick auf Transformationsaufgaben wie die Verkehrswende, die Energiewende, die Digitalisierung oder das Streben nach Klimaneutralität fordern die Städte vom Bund auskömmliche Kommunalfinanzen und eine Stärkung ihrer Investitionskraft. „Wir brauchen ein Update der Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Städtetags Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig, gestern bei der Konferenz der ostdeutschen Städte im Städtetag in Gera.

Kommunalfinanzen: Städte fordern mehr Finanzkraft

„Vor Ort in den Städten entscheidet sich, ob die Transformation hin zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität gelingt“, so Jung. Als „einfachsten Weg“, um den Städten zu mehr Investitionsfähigkeit zu verhelfen, schlägt er eine Vergrößerung ihres Anteiles an den Gemeinschaftssteuern wie der Umsatzsteuer vor.

„Klimaschutz und Klimaanpassung sind für uns längst faktisch Pflichtaufgaben, um die Bürger zu schützen und nachhaltige, lebenswerte Städte zu erhalten“, sagt Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb. Um die Aufgaben zu bewältigen, brauche es allerdings Hilfe von Bund und Ländern. „Die Kreditanstalt für Wiederaufbau nennt sogar eine Zahl von öffentlichen und privaten Investitionen in einer Größenordnung von fünf Billionen Euro, wenn Deutschland bis 2050 klimaneutral werden will“, so Vonarb. Dies könnten die Kommunen aus eigener Kraft nicht schaffen.

Kommunalfinanzen: Klimaschutzbudget als stabile Größe

Dabei schlägt Vonarb aus Sicht des Städtetags vor, die Erstellung von Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepten für Kommunen verpflichtend zu machen. Ohnehin gingen viele Städte längst voran und arbeiteten an diesbezüglichen Papieren. „Klimaschutz und Klimaanpassung als kommunale Pflichtaufgabe würde den Stellenwert und die Bedeutung von Klimamaßnahmen vor Ort noch einmal stärken“, so Vonarb.

Doch auch hier stelle sich die Finanzfrage: „Wenn wir bei der Finanzierung über Förderprogramme bleiben, sollten Bund und Länder ihre Förderpolitik neu ausrichten.“ Vonarb knüpft an die Forderung des Städtetags nach einem Klimaschutzbudget an. Ein festes Budget für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen über zehn Jahre könne unbürokratisch umgesetzt werden und schaffe gleichzeitig Planungssicherheit für die Städte.

Deutschlandticket, Wachstumschancengesetz, Flüchtlingshilfe

Dabei weist Jung auf drei markante Beispiele hin, bei denen den Kommunen horrende Kosten beziehungsweise zusätzliche Lasten drohten. Beispiel Deutschlandticket: Hier hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing in der vergangenen Woche eine Beteiligung des Bundes am Ausgleich von Mehrkosten ab 2024 zurückgewiesen. Jung: „Ohne Finanzierungszusage des Bundes könnte dem Deutschlandticket ab 2024 das Aus drohen.“

Beispiel Wachstumschancengesetz: Dass der Bund die Konjunktur ankurbeln will, sei zu begrüßen. „Dass durch das Gesetz aber auch den Kommunen in den kommenden Jahren mehr als sieben Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren gehen, ist angesichts unseres Investitionsbedarfs verhängnisvoll.“ Beispiel Flüchtlingsaufnahme: „Auf verbindliche Zusagen für eine bessere Finanzierung für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten warten wir immer noch. Wir brauchen endlich ein dauerhaftes System der Finanzierung, dass sich dynamisch den Flüchtlingszahlen anpasst.“

Kommunalfinanzen: Investitionen unter zehn Prozent

Der Anteil der Investitionen am kommunalen Gesamthaushalt liege im Bundesschnitt unter zehn Prozent. Jung: „Das müssen wir ändern, denn der Investitionsrückstand der Städte wächst immer mehr.“ Laut KfW-Kommunalpanel beträgt der kommunale Investitionsrückstand 2022 über 165 Milliarden Euro. In der vergangenen Woche bezifferte eine Analyse des Deutschen Instituts für Urbanistik, die im Auftrag des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, des Verbands der Deutschen Verkehrsunternehmen und des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) durchgeführt wurde, den kommunalen Investitionsbedarf allein für die Verkehrsinfrastruktur bis 2030 auf 372 Millionen Euro.

Info

Der 19. Deutsche Kämmerertag diskutiert als Leitveranstaltung der Branche morgen, 7. September, in Berlin die Finanzherausforderungen der Kommunen. Veranstaltet wird er von der Fachzeitschrift „Der Neue Kämmerer“, der #stadtvonmorgen-Schwesterpublikation im F.A.Z.-Fachverlag. Infos zum Programm gibt es hier. #stadtvonmorgen berichtet über die Veranstaltung.

a.erb@stadtvonmorgen.de

Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.