FROH’S NEUES (17): Frank Mentrup warnt vor wachsenden Finanzproblemen und beschreibt 2024 als Jahr wegweisender Entscheidungen.

An der Schwelle zum neuen Jahr: Wo stehen die Städte? Welche Herausforderungen liegen vor ihnen, und was erhoffen sie sich von 2024? Wie sie ins neue Jahr schauen, als Stadtlenker, als Lokalpolitiker und ganz persönlich – das hat #stadtvonmorgen verschiedene Oberbürgermeister gefragt. In einer Serie zum Jahreswechsel spricht bis zum 3. Januar täglich ein Oberbürgermeister über seine Perspektive auf 2024. An dieser Stelle ist es Frank Mentrup, der Oberbürgermeister von Karlsruhe. Die Antworten aller Oberbürgermeister sind gebündelt in den #stadtvonmorgen-Newslettern am 27. Dezember (Teil 1) und am 3. Januar (Teil 2) zu lesen. (Die Anmeldung zum wöchentlich erscheinenden Newsletter ist kostenlos und hier möglich.) #stadtvonmorgen wünscht: Froh’s Neues!

Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht weiter auf

#stadtvonmorgen: Wenn Sie auf den Jahreswechsel schauen und die Situation der deutschen Kommunen reflektieren: Welche Themen bewegen die Städte am drängendsten? Wo liegen ihre zentralen Herausforderungen mit Blick auf 2024?

Frank Mentrup: Die Kommunen stehen vor stetig wachsenden Finanzierungsproblemen. Die Inflation, die Entwicklung der Energiepreise und der Personalausgaben lassen die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter aufgehen. Die Kommunen müssen immer mehr Aufgaben übernehmen als sie in Zukunft schultern können und als ihnen weiter zugemutet werden kann. Dazu zählen beispielsweise kommunale Krankenhäuser, der öffentliche Personennahverkehr und zentrale Infrastrukturen der Bildung und der Kultur bis hin zu den Kindertagesstätten. Ein weiteres wichtiges Thema ist es, die Stadtgesellschaft trotz divergierender Lebenssituationen und Lebensentwürfe zusammenzuhalten, sprich: das analoge Gespräch untereinander zu fördern und eine gemeinsame Stadtkultur zu stärken, an der sich alle orientieren und in die sich alle einbringen können.

„2024 für Kommunen das Jahr der Entscheidungen“

#stadtvonmorgen: Was braucht es, diese Herausforderungen zu lösen?

Frank Mentrup: 2024 wird für die Kommunen das Jahr der Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene. Will sich Deutschland gegen den Klimawandel stemmen und seine internationalen Verpflichtungen erfüllen? Dann brauchen wir endlich verlässliche Rahmensetzungen und Finanzierungen der Energiewende statt eines Förderpotpourris für den betuchten Villeneigentümer. Will Deutschland die Mobilitätswende? Dann brauchen wir nicht wie durch das Deutschlandticket mehr Abonnenten und weniger Geld, sondern mehr Qualität in der alltäglichen Nutzung und mehr Geld endlich auch für den täglichen Betrieb. Will Deutschland weiter kommunale oder gemeinnützige Krankenhäuser als Rückgrat des stationären Gesundheitswesens? Dann brauchen wir die Gesundheitsreform sofort und eine Krankenhausplanung, die das Krankenhaussterben nicht dem ungezügelten Wettbewerb überlässt, sondern politisch und fachlich steuert. Will Deutschland allen Kindern ihr Recht auf Bildung ermöglichen? Dann brauchen wir Ganztagsangebote mit konsequenter Sprachförderung von der Krippe bis mindestens zum Ende der Grundschule unabhängig vom Kassenstand der Länder und Kommunen. Das setzt voraus, sich gemeinsam ehrlich zu machen. Denn das alles muss finanziell neu und solide aufgestellt werden. Für darüberhinausgehende, neue Ausgaben wird es dann keine Spielräume mehr geben. Die Versprecheritis von Bund und Land muss 2024 ein Ende haben.

„Die Jammerei muss 2024 ein Ende haben“

#stadtvonmorgen: Den Blick auf Ihre Stadt gerichtet: Welche lokalen Themen treiben Sie an der Schwelle zum neuen Jahr besonders um?

Frank Mentrup: Zwei Themen beschäftigen mich besonders. Der Kampf gegen den Klimawandel und die erforderlichen Wenden in der Mobilität und in der Energieversorgung sind auch vor Ort enorme Herausforderungen. Neben den dringend notwendigen Weichenstellungen durch den Bund bedarf es der Kommunikation, der Kommunikation und nochmals der Kommunikation – und das am besten direkt mit den Menschen, nicht in den Blasen der sozialen Medien. Jeder kann und muss schließlich dazu am Ende beitragen. Das zweite Thema ist ein Kulturelles. Wir können und sollten mit Optimismus und Zutrauen die Herausforderungen der Zukunft angehen und dabei stärker international Verantwortung übernehmen. Mein zweiter Kampf ist daher gegen die „German Angst“ gerichtet. Wir leben immer noch in wohlhabenden und stabilen sozialen Verhältnissen. Wer, wenn nicht wir, sollte an der Spitze der Bewegung mit Elan die Zukunft anpacken. Die Jammerei muss 2024 ein Ende haben.

Frank Mentrup: Im Kampf mit und für sich

#stadtvonmorgen: Was erwarten Sie persönlich von 2024?

Frank Mentrup: Persönlich kämpfe ich weiter mit mir und für mich um eine gute Balance aus Geduld und Ungeduld, aus Hartnäckigkeit und Gelassenheit, aus Zeit für meine beruflichen Verpflichtungen und meine familiären Bedürfnisse sowie aus Stärke, Orientierung zu geben, und Demut, mir nicht zu viel auf mich einzubilden.

Info

In der Serie „Froh’s Neues“ geben Oberbürgermeister ihre Perspektive auf das neue Jahr. Die Serie startet am 19. Dezember und läuft bis zum 3. Januar. Alle Interviews erscheinen gebündelt in den #stadtvonmorgen-Newslettern am 27. Dezember und 3. JanuarDie Anmeldung zum Newsletter ist kostenlos und hier möglich.
An der Befragung haben folgende Oberbürgermeister teilgenommen: Mike Josef aus Frankfurt am MainBoris Palmer aus TübingenEva-Maria Kröger aus RostockFrank Nopper aus StuttgartThomas Westphal aus DortmundKatja Wolf aus EisenachMarkus Lewe aus MünsterSibylle Keupen aus AachenDieter Reiter aus MünchenDirk Hilbert aus DresdenMarkus Zwick aus PirmasensJutta Steinruck aus LudwigshafenBeate Kimmel aus KaiserslauternKatja Dörner aus BonnFabian Geyer aus FlensburgUwe Conradt aus Saarbrücken und Frank Mentrup aus Karlsruhe.

a.erb@stadtvonmorgen.de

Aktuelle Beiträge