Urban Mining will Sekundärrohstoffe erschließen. Bautätigkeit und Abfallwirtschaft von Kommunen spielen dabei wichtige Rollen.

Es ist eine stetig wachsende „Schatzkammer für die Deckung unseres Rohstoffbedarfs“, wie es in einer Broschüre des Umweltbundesamts (UBA) heißt: Das anthropogene Lager, also menschenverursachte Anhäufungen von Gütern und Ablagerungen, umfasst über 50 Milliarden Tonnen an Materialien allein hierzulande. Gebunden sind diese beispielsweise in Gebäuden oder Infrastrukturen und deren Überbleibseln. Es handelt sich um mineralische Materialien wie Beton, um Metalle, um Kunststoffe, Asphalt oder Holz. Die Idee des sogenannten Urban Mining – wörtlich übersetzt des „Urbanen Bergbaus“ – ist es, diese als Sekundärrohstoffe „abzubauen“ beziehungsweise zu gewinnen und zu nutzen. Dafür können Kommunen wichtige Stellschrauben drehen.

Urban Mining: das anthropogene Lager nutzen

Das Urban Mining widmet sich der Bewirtschaftung des anthropogenen Lagers. Dabei zielt es nicht nur auf die Nachhaltigkeit beim Umgang mit Ressourcen ab. Neben der ökologischen Sinnhaftigkeit, Sekundärrohstoffe zu gewinnen, geht es auch um Versorgungssicherheit angesichts der Fragilität globaler Lieferketten sowie um eine Diversifizierung der Rohstoffversorgung. Das bestehende anthropogene Lager lässt sich planbar als Ressourcenquelle nutzen.

Das Konzept des Urban Mining hat eine langfristige Perspektive. Es geht über kurze Produktzyklen und -kreisläufe hinaus. Im Fokus beim Urban Mining stehen insbesondere langlebige Güter und Anlagen wie Bauwerke oder Automobile. Dies ist ein wesentlicher Unterschied beispielsweise zu den meisten Siedlungsabfällen, die in kürzeren Zeitraumen entstehen. Den maßgeblichen Anteil des anthropogenen Lagers bestimmen Materialien der Bauwirtschaft. Das Aufkommen von Bauabfällen beträgt (Stand 2020) jährlich über 229 Millionen Tonnen – mit steigender Tendenz. Bau- und Abbruchabfälle machen mit rund zwei Dritteln den größten Teil des gesamten Abfallaufkommens aus.

Kommunen als Impulsgeber fürs Urban Mining

Doch obwohl sowohl die Kapazitäten von Deponien und Halden als auch die Verfügbarkeit primärer Rohstoffe durch verschiedene Nutzungskonkurrenzen begrenzt sind, wird laut UBA-Publikation das Recyclingpotential der Baustoffe noch nicht ausreichend ausgeschöpft. Derzeit ist die Behörde in die Arbeit an einer nationalen Urban Mining Strategie involviert. Es gelte, das Bewusstsein für Sekundärrohstoffe zu schärfen sowie ihr Qualitäts- und Mengenpotenzial langfristig zu heben, sagt der Wirtschaftschemiker Felix Müller, der am UBA fürs Urban Mining verantwortlich ist.

Dabei spielen die öffentliche Bautätigkeit und in diesem Zusammenhang vor allem Kommunen als Impulsgeber und Multiplikatoren eine wichtige Rolle. Aus kommunaler Sicht gehe es beispielsweise um das Stoffstrommanagement bei Bauvorhaben mit vorgelagerten Renaturierungs- und Rückbauprojekten. Hier könnten sie konkret im Sinne der Kreislaufwirtschaft wirken. So ließen sich aus dem Rückbau gewinnbare Materialmengen als Baustoffe für das neue Vorhaben einplanen, erklärt Müller.

Handlungsfelder: Neubau, Abbruch, Abfallwirtschaft

Darüber hinaus könnten Kommunen in Ausschreibungen für Bauvorhaben Mindestquoten für den Einsatz von Sekundärrohstoffen definieren. Zudem könnten sie bei Abbrüchen oder Rückbauten eine selektive Erfassung und ein Recycling in qualifizierten Aufbereitungsanlagen verbindlich vorschreiben. Dabei sieht Müller auch die kommunale Abfallwirtschaft in der Verantwortung, bei der Behandlung und Verwertung von Abfällen in der täglichen Praxis auf hochwertige Recyclingmethoden zu setzen, um Ressourcen zu reaktivieren.

Wolle man die Rohstoffe, die das anthropogene Lager vorhält, zukünftig stärker nutzen, brauche es vor allem eine diesbezügliche Wissensbasis, unterstreicht Müller. Hier sieht er große Lücken. Zum einen gehe es um das Wissen, wie die Anthroposphäre überhaupt beschaffen ist, welche Sekundärrohstoffe sich etwa aus Gebäuden, Infrastrukturen, Deponien und Halden gewinnen lassen. Dies aber nicht nur retrospektiv, sondern auch in die Zukunft gerichtet: Woraus bestehen angesichts des technischen Fortschritts zukünftig wohl maßgebliche Produkte, und welche Stoffe finden sich folglich in den Abfallmengen?

Wissensbasis für ein lokales Rohstoffmanagement

Ebenfalls bedürfe es einer Bestandsaufnahme und einer Mengenstromprognostik, was das Sekundärrohstoffpotential und den Rohstoffbedarf vor Ort betrifft, meint Müller. Also: Wo ist einerseits hinsichtlich des Gebäudebestands perspektivisch ein Rückbau vonnöten, welche Mengen und Materialien fallen dabei voraussichtlich an, und welche Sekundärrohstoffe lassen sich daraus gewinnen? Und wo sind andererseits Neubauaktivitäten zu erwarten, welcher Rohstoffbedarf ist hierfür absehbar?

„Hierbei helfen Instrumente wie regionale Materialkataster, aber auch Produkt- und Gebäuderessourcenpässe, die derzeit erarbeitet werden“, sagt Müller. Kommunen, die sich ein solches Wissen erschließen, könnten auf dieser Basis vor Ort ein integriertes Rohstoffmanagement implementieren, um den Bedarf an Primärrohstoffen zu reduzieren und Deponiekapazitäten zu entlasten, erklärt Müller. Dies könne auch ein nicht unwesentlicher Baustein einer lokalen Klimaschutzstrategie sein.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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