Das Fashion Outlet Zweibrücken ruft Widerstände hervor: Saarbrückens Oberbürgermeister Conradt über seinen Kampf für eine vitale Innenstadt.

Die geplante Erweiterung des Fashion Outlet Centers in Zweibrücken sorgt für einen Aufschrei unter saarländischen und rheinland-pfälzischen Kommunen. Es geht um die Vitalität der benachbarten Zentren, zunehmenden Druck auf den innerstädtischen Einzelhandel und dessen Kampf gegen große Shoppingcenter „auf der grünen Wiese“. Im Interview mit #stadtvonmorgen bezeichnet Uwe Conradt, Oberbürgermeister von Saarbrücken, die Entscheidung für die Erweiterung als sach- und fachfremd sowie politisch motiviert. Er kündigt juristisches Engagement gegen die Ausbaupläne an.

„Das Outlet hat negative Auswirkungen auf die Nachbarstädte“

OBM Uwe Conradt (Quelle: Landeshauptstadt Saarbrücken/Marisa Winter)

OBM Uwe Conradt (Quelle: Landeshauptstadt Saarbrücken/Marisa Winter)

#stadtvonmorgen: Herr Conradt, wenn Sie auf das Fashion Outlet Center in Zweibrücken schauen: Was kommt Ihnen in den Sinn?

Uwe Conradt: Das Fashion Outlet Center in Zweitbrücken gilt als das größte Outlet Center in Deutschland. Dass seine Verkaufsfläche um 8.500 Quadratmeter erweitert werden soll und es dafür eine Genehmigung erfahren hat, macht uns betroffen. Denn wir wissen aus Erfahrung um dessen Auswirkung auf Städte und Gemeinden im Umfeld. Es ist absehbar, dass mit der Erweiterung weitere Kaufkraft in ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese abfließt. Eigentlich ist das Konzept eines Outlet Centers in der urbanen Peripherie ein Relikt der Vergangenheit. Denn heute muss es darum gehen, den Handel in den Innenstädten zu halten und die Zentren zu beleben.

#stadtvonmorgen: Sind die Auswirkungen des Outlet Centers auf benachbarte Städte wie Saarbrücken überhaupt messbar? Worauf fußen Ihre Erfahrungswerte?

Uwe Conradt: Zunächst war es aus meiner Sicht eine politische Entscheidung, einem holländischen Finanzinvestor den Ausbau zu genehmigen. Dass die dem rheinland-pfälzischen Innenministerium unterstellte Genehmigungsbehörde selbst einräumte, dass „das Zweibrücken Fashion Outlet die Entwicklung des Einzelhandels in den Nachbarkommunen nicht nur positiv beeinflusst haben dürfte“, ist euphemistisch formuliert. Konkret heißt das: Das Outlet hat negative Auswirkungen auf die Nachbarstädte. Und davon, dass andere Kommunen im Umfeld des Outlet Centers möglicherweise Fehler in ihrer Innenstadtentwicklung gemacht haben, abzuleiten, die Erweiterung des Outlet Centers sei vertretbar, ist irrsinnig. Denn das führte ja zu der verrückten Argumentation, dass begangene Fehler dazu legitimieren, noch größere Fehler zu begehen. Saarbrücken verfolgt ein Einzelhandelskonzept, Sortimentslisten, einen Methoden- und Maßnahmenmix – alles für eine belebte Innenstadt. Wenn nun wesentliche Teile unseres Innenstadtsortiments in Läden auf einer benachbarten grünen Wiese vorhanden sind, dann führt das natürlich zu einem Kaufkraftabfluss.

„Die Entscheidung für die Erweiterung war politisch motiviert“

#stadtvonmorgen: Ist der nachweisbar oder bezifferbar?

Uwe Conradt: Im Einzelfall ist das schwierig. Doch nehmen Sie ein Keramikwarengeschäft, das in der Saarbrücker Innenstadt seine Produkte zum Regelpreis verkauft. Natürlich steigt der Druck auf die örtliche Filiale, wenn in der Nachbarschaft ein Outletstandort eröffnet – und wenn es im nahen Mettlach außerdem ebenfalls einen diesbezüglichen Outletstandort gibt, ist der Druck gleich doppelt so hoch. Die Saarbrücker Einkaufspassage gehört zu den Topeinkaufsstraßen in Deutschland. Wir messen die Kundenfrequenz mit einem lasergesteuerten Zählersystem und wissen daher sehr genau um die Publikumsströme. Wir wissen aber auch: Im Topsegment ist der Saarbrücker Handel sehr gut aufgestellt. Im mittleren bis mittelgehobenen Preissegment steht die Innenstadt allerdings unter einem großen Druck. Und genau in diesem Bereich macht uns das Outlet Center in Zweibrücken zu schaffen. Wir befürchten, dass sich bei einer Erweiterung die Lage weiter verschärft.

#stadtvonmorgen: Jetzt kann man den Innenstädten in der Nachbarschaft Zweibrückens zurufen: Kümmert Euch selbst um die Attraktivität Eurer Zentren, und lasst das Outlet Outlet sein! Was sagen Sie dazu?

Uwe Conradt: Am Ende ist es eine Frage des Ziels. Immerhin bewegen wir uns hier in einem Bereich, der reguliert ist. Wozu gibt es denn beispielsweise Genehmigungsverfahren, Gesetze, die Raumordnung oder die Flächennutzungsplanung? Sie dienen der strukturierten Entwicklung im Sinne einer Zielverfolgung. Ich verstehe die Zielsetzung so, dass es um lebendige Städte geht, die mannigfaltigen Ansprüchen an den öffentlichen Raum gerecht werden: dem Handel, der Mobilität, Dienstleistungsbetrieben, der Kunst und der Kultur, der Gastronomie, der Bildung, dem Wohnen et cetera. Es geht um Begegnungen, um soziale Ausgewogenheit und um die Frage, wie wir gemeinsam den Raum nutzen. Oder verfolgt man stattdessen das Leitbild einer Konsuminsel der Abgeschiedenheit, für deren Erreichen man ein Automobil und ein Mindestmaß an Wohlstand braucht und auf der man sich in einer Scheinwelt privatwirtschaftlichen Strukturen unterwirft? Dieses Leitbild kann mit dem gesellschaftlichen Ziel, lebendige Innenstädte zu erhalten und zu fördern, nicht vereinbar sein. Wenn es um die Gretchenfrage nach der Lebendigkeit von Innenstädten geht, kann die Frage nach dem Ausbau des Fashion Outlet Zweibrücken nur mit Nein beantwortet werden. Nach meinem Dafürhalten war die Entscheidung für dessen Erweiterung politisch motiviert, fernab jeder Fach- und Sachkenntnis.

„Erweiterung erfüllt keine Dimension der Nachhaltigkeit“

#stadtvonmorgen: Nach Bekanntwerden der Entscheidung für die Erweiterung des Outlet Centers haben Sie sich mit einem Pressestatement zu Wort gemeldet. Darin haben Sie auch die mit der Erweiterung verbundene Flächenversiegelung angesprochen. Was betrifft Sie das in Saarbrücken?

Uwe Conradt: Vorab: Klimaschutz und die Bedrohung von Natur und Umwelt – in diesem Fall durch Flächenversiegelung – machen an kommunalen Gebietsgrenzen nicht halt. Außerdem dokumentiert die Flächenversiegelung, dass die geplante Erweiterung keine einzige Dimension der Nachhaltigkeit erfüllt: weder die ökonomische, die soziale noch die ökologische. Betrachtet man sich die Entscheidung dafür, drängt sich die Frage auf, ob alle Reden um Klimawandel, neue Mobilität und lebendige Innenstädte nur Augenwischerei sind. Hier macht man offenbar einen Kniefall vor Investoren, wenn man großes Geld wittert. Aber es ist nicht mehr Geld vorhanden: Jeder Euro, der im Outlet Center ausgegeben wird, fehlt in den Innenstädten von Zweibrücken, Kaiserslautern, Neunkirchen, Homburg, Saarbrücken oder anderen.

#stadtvonmorgen: In ihrem Pressestatement haben Sie das Outlet Center als „Krebsgeschwür“ bezeichnet. Das ist hart…

Uwe Conradt: Doch für die benachbarten Städte und Gemeinden ist es eins. Je näher eine Kommune am Outlet Center liegt, umso stärker spürt sie seine Wirkung. Und je mehr man es wuchern lässt, umso weiter entfernt ist sie spürbar.

„Ich gehe davon aus, dass es eine Klage geben wird“

Fashion Outlet Zweibrücken (Quelle: Stadt Zweibrücken)

Fashion Outlet Zweibrücken (Quelle: Stadt Zweibrücken)

#stadtvonmorgen: Ihre Kritik ist deutlich. Doch was folgt daraus? Was unternehmen Sie konkret?

Uwe Conradt: Zunächst begrüßen wir es, dass sich der saarländische Städte- und Gemeindetag mit seinem Vorsitzenden Jörg Aumann, dem Oberbürgermeister von Neunkirchen, sowie das saarländische Wirtschaftsministerium und der Eurodistrict Saarmoselle in der Sache positioniert haben. Übrigens komme ich gerade von einer Sitzung des grenzüberschreitenden QuattroPole-Städtenetzwerks: Auch dort wird das Thema besprochen. Konkret sind wir mit anderen Kommunen im Austausch darüber, wie und in welcher Konstellation der juristische Weg beschritten werden kann. Ich gehe aktuell davon aus, dass es eine Klage geben wird.

#stadtvonmorgen: Zum Beispiel gegen den Bebauungsplan?

Uwe Conradt: Es gibt verschiedene Anknüpfungspunkte – von der Verwaltungsentscheidung, dass die Erweiterung genehmigungsfähig ist, bis zum Bebauungsplan.

#stadtvonmorgen: Sie wollen also alle Varianten und Optionen abklopfen.

Uwe Conradt: Deswegen lohnt es, sich im Augenblick noch nicht auf den Hebel festzulegen. Wir sind derzeit in der Prüfung. Der Grundtenor ist: Bei der Erweiterung des Outlet Centers handelt es sich um eine politische Entscheidung, der es an fachlicher Substanz fehlt. Dies gilt es nachzuweisen, um die Erweiterung zu Fall zu bringen.

„Der Bürgermeister darf nicht tatenlos zusehen“

#stadtvonmorgen: Sie klingen motiviert.

Uwe Conradt: Der Bürgermeister einer Stadt darf nicht tatenlos zusehen, wenn „seine“ Innenstadt bedroht wird. Oft ist sein Handlungsspielraum begrenzt, wenn ich an den Onlinehandel oder große Konzernstrukturen und Filialgeflechte denke. Doch hier im konkreten Fall gibt es die Chance, in Verwaltungs-, Genehmigungs- und Regierungsstrukturen zu handeln. Diese gilt es, zu nutzen. Übrigens auch, um ein Signal an den „eigenen“ Mittelstand und Einzelhandel zu senden: Wir lassen Euch nicht allein, und für die Lebendigkeit unserer Innenstadt bleibt Ihr ein wichtiger Pfeiler!

#stadtvonmorgen: Sie haben den Onlinehandel als Wettbewerbsfaktor angesprochen. Auch die Läden im Outlet Center agieren stationär. Auch auf sie nimmt der Druck zu.

Uwe Conradt: Diese Frage gehört ebenfalls zur ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit bei der Erweiterungsentscheidung. Was geschieht mit dem Outlet Center, wenn die allein preisgetriebenen Kunden sich zukünftig zunehmend in den virtuellen Raum verabschieden und die Margen schrumpfen?

a.erb@stadtvonmorgen.de

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