In Pirmasens treffen sich Kommunen, die an einer Nachhaltigkeitsstrategie arbeiten. Sie tauschen sich über Gelingensfaktoren aus.

Es gehe um nicht weniger als „um die Zukunft der Stadt“. Man wolle jetzt den Grundstein dafür legen, das Leben in der Stadt zu verbessern, krisenresilienter zu werden und die Lebensqualität zu sichern – auch für die kommenden Generationen. Es ist eine existentielle Relevanz, die Michael Maas, Bürgermeister der pfälzischen Stadt Pirmasens, dem Nachhaltigkeitsengagement der Stadt beimisst. Pirmasens hat jüngst eine Nachhaltigkeitsstrategie vorgelegt. Sie bezieht sich auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG). Die Erarbeitung der Strategie lief im Projekt „Pfälzerwald: SDG-Modellregion für ein nachhaltiges Rheinland-Pfalz“. Dafür fand heute in Pirmasens ein Netzwerktreffen statt, an dem auch rheinland-pfälzische Kommunen teilnehmen konnten, die nicht im Modellprojekt vertreten sind.

Die SDG in der Stadtpolitik verankern

Insgesamt acht Kommunen wurden in dem Programm als Modellregion ausgewählt. Koordiniert wurde es für das Land Rheinland-Pfalz vom Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen. Fachliche Unterstützung lieferte die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global. Zu den acht Kommunen gehören neben Pirmasens die Städte Bad Bergzabern und Neustadt an der Weinstraße, die Verbandsgemeinden Lambrecht und Maikammer sowie die Ortsgemeinden Kallstadt, Klingenmünster und Sippersfeld.

Die Projekte liefen, gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie dem Land Rheinland-Pfalz, von 2019 bis 2021. Ihnen schließt sich nun 2022 und 2023 eine zweite Projektphase mit dem Titel „Global Nachhaltige Kommune Pfalz“ an. Hieran nehmen die Stadt Speyer sowie die Verbandsgemeinden Deidesheim und Sprendlingen-Gensingen teil. Begleitet von der SKEW und dem Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen erarbeiten die Kommunen ebenfalls jeweils eine Nachhaltigkeitsstrategie, die die SDG in lokales Handeln übersetzt und in der Stadtpolitik verankert.

Nachhaltigkeitsstrategie muss Chefsache sein

Beim heutigen Netzwerktreffen tauschten sich Vertreter aus den Kommunen über Gelingensfaktoren für die Arbeit an einer Nachhaltigkeitsstrategie und für deren Umsetzung aus. „Nachhaltigkeitsprozesse können nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Rückendeckung von der Verwaltungsspitze da ist“, sagt Till Winkelmann, Projektleiter „Global Nachhaltige Kommune“ bei der SKEW. Die Arbeit an einer Nachhaltigkeitsstrategie müsse „Chefsache“ sein. Schließlich gehe es darum, alle Dezernate und Ämter sowie relevanten Akteure der Stadtgesellschaft für ein gemeinsames Engagement zusammenzubringen. Das gelinge nur, wenn die Stadtspitze das Thema konsequent vorantreibe, so Winkelmann.

Dies untermauert Maas: „Es braucht eine zentrale Stelle, die sich um das Thema kümmert“, sagt er. Es gelte, die Nachhaltigkeitsarbeit als Querschnittsaufgabe zu koordinieren und Initiativen zu bündeln. Geschehe dies nicht, zerfielen die über 150 Maßnahmen, aus denen die Pirmasenser Nachhaltigkeitsstrategie besteht, wieder in Einzelvorhaben. Diese Koordination schaffe nicht nur Synergieeffekte, sondern trage auch zur Vernetzung innerhalb der Stadtgesellschaft bei, ergänzt Winkelmann. Oft zeige sich, dass die gemeinsame Arbeit an einer Nachhaltigkeitsstrategie in einer Stadt neue Kommunikationswege ebene, die auch anderen stadtstrategisch bedeutsamen Prozessen zugutekämen.

Soziales, Ökonomisches und Ökologisches zusammen

Inhaltlich sei es wichtig, die Nachhaltigkeitsarbeit breit auszurichten. „Das Thema Nachhaltigkeit ist häufig ökologisch besetzt“, schickt Winkelmann voraus. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen beziehen sich allerdings keineswegs ausschließlich auf rein ökologische Fragen. Es geht beispielsweise auch um fairen Handel und faire Arbeitsbedingungen, Bekämpfung der Armut, Bildung und soziale Gerechtigkeit. Den umfassenden Blick auf das Stadtgeschehen beschreibt Maas als Voraussetzung für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie. Sie müsse alle drei Dimensionen von Nachhaltigkeit zusammendenken: die soziale, die ökonomische und die ökologische. „Nur, wenn die drei Säulen zusammenfinden, funktioniert die Nachhaltigkeitsstrategie.“

Die 2021 verabschiedete Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Pirmasens umfasst über 150 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern. Sie wurde partizipativ mit einer intensiven Bürgerbeteiligung erarbeitet. Die fünf Handlungsfelder stehen unter folgenden Überschriften: Globale Verantwortung und nachhaltiger Konsum, Klima- und Umweltschutz, Eine Stadt für alle, Nachhaltiger Standort, Nachhaltige Mobilität. Das Spektrum an Maßnahmen reicht vom Umbau der Energieversorgung zu einem klimaneutralen und autarken System über die Förderung der Biodiversität bis hin zur Stärkung des Umweltverbunds in der Verkehrsplanung.

Den Nachhaltigkeitsgedanken in die Breite tragen

Um den Nachhaltigkeitsgedanken in der Stadtgesellschaft zu verankern, sei es überdies bedeutsam, „Kommunikationsauslöser“ zu schaffen, erklärt Winkelmann. Nicht nur tiefgreifende Transformationsthemen wie der Umbau der Energieversorgung machten den Nachhaltigkeitsgedanken greifbar. Genauso wichtig für die Bewusstseinsbildung sei die Summe kleinformatiger, in der Alltagswelt erlebbarer Projekte. Exemplarisch verweist er auf das Projekt „Essbare Stadt“ in Pirmasens: Hier pflanzt die Stadt Obst und Gemüse im öffentlichen Raum an, was Bürger ernten können. So soll nicht nur die Natur im urbanen Raum erlebbar, sondern auch das Bewusstsein für natürliche Kreisläufe und regionale Produkte in der Stadtgesellschaft geschärft werden.

2015 haben die Vereinten Nationen ihre Agenda 2030 verabschiedet. Darin definieren sie 17 globale Entwicklungsziele, die SDG. „Kommunen spielen dafür eine wichtige Rolle“, unterstreicht Winkelmann. Etwa zwei Drittel der von den Zielen adressierten Themen hätten eine kommunale Dimension. Die SKEW unterstützt also Kommunen dabei, die 17 Ziele stadtstrategisch zu verankern. Sie wolle dazu beitragen, die globale Perspektive in die Städte hineinzutragen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, so Winkelmann.

Das Foto oben zeigt Maas, Winkelmann und Johanna Staffa, Projektleiterin für „Global Nachhaltige Kommune Pfalz“, beim heutigen Netzwerktreffen in Pirmasens.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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