Im Kaiserslauterer Fritz-Walter-Stadion startet eine Bürgerbeteiligung. Es geht um ein modernes Stadtquartier im Stadionumfeld.

Schon bevor die Veranstaltung richtig losgeht, stehen einige Bürger auf und machen ihrem Unmut Luft. Einer meint, er lebe schon 37 Jahre in dem Stadtteil, sein halbes Leben lang. In den vergangenen Jahren habe sich die örtliche Versorgungsinfrastruktur dramatisch ausgedünnt: Keinen Supermarkt gebe es mehr, keinen Bäcker, keine Apotheke, auch die Sparkasse habe ihren Standort geschlossen. Was ihn gewaltig störe, sei, sagt er, dass sich die Stadtplanung offenbar isoliert auf das Fritz-Walter-Stadion beziehe und nicht integrativ auf den ganzen Stadtteil. Er habe die „große Sorge“, dass darunter die Entwicklung des gesamten Viertels leide und dadurch die Chance verpasst werde, Missstände wie die Versorgungslücken zu beheben.

Quartiersplanung im Stadionumfeld

Engagiert ging es zur Sache gestern Abend im Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern. Die Stadt und das Planungsbüro Drees und Sommer hatten zur Bürgerbeteiligung eingeladen. Es handelt sich um ein Projekt mit Strahlkraft: Das Stadion, 2006 Standort der Fußballweltmeisterschaft und Spielstätte des Zweitligaklubs 1. FC Kaiserslautern, steht im Mittelpunkt. Mit ihm als Kern soll ein neues Quartier entstehen.

Im Umfeld der Arena befinden sich noch freie Flächen im Besitz der Stadt und der kommunalen Stadiongesellschaft. Diese Areale will die Stadt entwickeln. Da Stadien oft fokussiert auf den Sportbetrieb gebaut werden, kann das Vorhaben für viele deutsche Stadionstandorte bestenfalls zum Vorbild einer städtebaulich vernetzten Quartiersplanung in Anbindung an eine große Fußballarena werden.

Bürgerbeteiligung startet mit Irritationen

In diese Entwicklung möchte die Stadt die Bürger einbeziehen. Mehr als 70 kamen, die meisten davon Bewohner des Betzenbergs. Dass die gestrige Veranstaltung unter dem Motto „Zukunft Betzenberg“ stand, trug allerdings dazu bei, dass anfangs Erwartungsmanagement betrieben werden musste. Denn der Begriff „Betzenberg“ hat in Kaiserslautern gleich mehrere Bedeutungen. Zum einen heißt so der Stadtteil, in dem sich das WM-Stadion befindet. Und zum anderen nennen Fußballfans die Arena liebevoll Betzenberg, ihren Betze. So mussten die Stadtplaner erst einmal glattziehen, worum es eigentlich vorwiegend geht, nämlich in erster Linie um die freien Flächen im Umfeld der Arena und nur mittelbar um den kompletten Stadtteil und den Baukörper Stadion.

Zu Irritationen führte auch, dass es in der Vergangenheit bereits öffentlich vorgestellte Pläne zur Geländeentwicklung gab. Die städtebaulichen Prioritäten der Stadt und Planungsprämissen, insbesondere was die Schaffung von Wohnraum betrifft, hätten sich allerdings verändert, erklärte nun die Stadtplanerin Katrin Voss von Drees und Sommer. Daher verwerfe man die alten Ansätze und drücke den „Resetknopf“. Man starte mit einem „weißen Blatt Papier“ in einen völlig neuen Planungsprozess.

Ideensammlung im Fritz-Walter-Stadion: die Bürgerbeteiligung "Zukunft Betzenberg" in Kaiserslautern. (Quelle: Andreas Erb)

Ideensammlung im Fritz-Walter-Stadion: die Bürgerbeteiligung „Zukunft Betzenberg“ in Kaiserslautern. (Quelle: Andreas Erb)

Erwartungen an ein modernes Quartier

Die Bürgerbeteiligung will die Bedürfnisse der Bürger und ihre Erwartungen an ein modernes Quartier einfangen. In den nächsten 12 bis 14 Monaten soll ein Rahmenplan entstehen, der dann ins Bebauungsplanverfahren mündet. Mehr als zweieinhalb Stunden wurde gestern über die Zukunft des Quartiers gesprochen. Gefragt waren dabei durchaus „wilde Ideen“, kreative Vorschläge und Visionen.

An fünf Tischen, sortiert nach Themen, trugen die Bürger ihre Gedanken und Hinweise stichwortartig auf Notizzetteln zusammen. Wie Sprechblasen füllten diese Zettel dann leere Tafelschreibblöcke. Dabei ging es unter anderem um das Wohnen im Quartier, um die Gestaltung des öffentlichen Raums, um Mobilität und Verkehr oder um die Anbindung des Stadtteils an die Innenstadt. In den Gesprächen schimmerte immer wieder die hohe emotionale Bedeutung durch, die das Stadion und der FCK für die Stadtbewohner haben.

Fritz-Walter-Stadion belastet Kommunalfinanzen

Neben seiner Funktion als legendärer Spielstätte des kultigen Fußballklubs FCK erlangte das Fritz-Walter-Stadion durch seinen teuren Ausbau zur WM-Arena zweifelhaften Ruhm. Seit 2003 seien über 170 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln direkt oder indirekt in den Profifußball in Kaiserslautern geflossen, rechnete Oberbürgermeister Klaus Weichel einmal im Stadtrat vor. Aufgrund seines sportlichen und wirtschaftlichen Niedergangs kann der FCK seine Miete an die städtische Stadiongesellschaft nur selten voll bezahlen, und die Stadt muss ihre Gesellschaft immer wieder finanziell stützen. Nicht zuletzt deswegen stellt sie Gedanken darüber an, wie sie das Stadion und dessen Umfeld überplanen und so mit zusätzlichen Nutzungen besser auslasten kann.

Mit der gestrigen Veranstaltung zeigt sich Voss zufrieden. Man habe Eindrücke aus der Bürgerschaft und Entwicklungsideen einsammeln können. Dass rege und teils kontrovers diskutiert wurde, sei gerade Sinn der Bürgerbeteiligung und habe ebenfalls fruchtbare Ergebnisse hervorgebracht.

a.erb@stadtvonmorgen.de

Aktuelle Beiträge